Die Singphoniker, vom Magazin Der Spiegel zu den
„deutschen King’s Singers“ ernannt, heben mit perfekter
Ensemblekunst musikalische Schätze, diesmal die
Welterfolge des Popduos Simon & Garfunkel, u.a. The
Sound Of Silence, Bridge Over Troubled Water, Mrs.
Robinson, Bright Eyesund El Condor Pasa.
Die Singphoniker
Alfons Brandl tenor
Hubert Nettinger tenor
Ludwig Thomas baritone
Michael Mantaj bass baritone
Christian Schmidt bass
Berno Scharpf bass/vocal effects
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Ulrich Herkenhoff panpipes
Abi von Reininghaus guitars
Michael Schoene bass guitar
Matthias Pilipzen drums
Matthias Keller keyboards |
A Tribute to Simon & Garfunkel
Simon & Garfunkel: ein musikalisches Markenzeichen,
das mich seit meiner Teenagerzeit
begleitet. Und das sich wohl frühzeitig
einnistete im Erfahrungsbereich eines eher
klassisch erzogenen Musikers.
Doch was heißt schon „klassisch“?!
Stücke wie Bridge Over Troubled Water, The
Sound of Silence, Scarborough Fair oder The
Boxer sind heute ebenso Klassiker des Musikrepertoires
wie beispielsweise die Air von
Johann Sebastian Bach, das Adagio aus
Mozarts A-Dur-Klarinettenkonzert oder Orffs
Carmina Burana. Sie sind sozusagen die kantable
Botschaft der wilden 68er Jahre, beseelt
von Harmoniebedürfnis und einer durchaus
eigenwilligen poetischen Mitteilsamkeit.
„Hello darkness, my old friend / I’ve come
to talk with you again”: diese Anfangszeilen
aus The Sound of Silence wurden für das Duo
zum Erfolgsschlüssel zu einer ebenso rasanten
wie kurzen gemeinsamen Karriere.
Gegründet war diese auf die Wurzeln amerikanischer
folk music, mutierte aber ziemlich
schnell zum typischen folk-rock-Idiom der
Mittsechziger, was namentlich mit der Elektrifizierung
des Gitarrenklangs zusammenhing.
Ausgelöst vermutlich durch die Beatles und
deren Debut im US-Fernsehen 1964, erfasste
damals eine neue Welle die Nation. Mitgerissen
wurden nicht nur Stars wie Bob Dylan,
dessen Mr. Tambourine Man kurzerhand
elektrisch „runderneuert“ wurde – von einer
Gruppe namens The Byrds. Auch die Verantwortlichen
im Hintergrund, etwa Columbia-
Produzent Tom Wilson, begriffen die Zeitzeichen
und handelten prompt. Dass hierbei ausgerechnet
ein Song mit dem programmatischen
Titel The Sound of Silence die Hauptrolle
spielte, mag zur Ironie dieser umtriebigen
Epoche gehören. Denn nachdem der
Song bereits in einer „unplugged“-Version
auf dem Erstlingsalbum von Simon & Garfunkel
(Wednesday Morning 3 A.M.) zu hören
gewesen war, jedoch floppte, beschloss Produzent
Wilson, das Stück in aufgepeppter
Version erneut herauszubringen: angereichert
mit E-Gitarre und Schlagzeug. Dieser
frühe „Remix“ wurde buchstäblich über
Nacht – und in Abwesenheit der beiden Sänger
– zum Nr.1-Hit. Der nächste Spitzenreiter
folgte zwei Jahre später mit Mrs. Robinson,
die ursprünglich Mrs. Roosevelt heißen sollte,
dann jedoch umbenannt wurde, da Regisseur
Mike Nichols gerade im Begriff war, das perfekte
filmische Vehikel zu schaffen: The Graduate
(Die Reifeprüfung), mit Dustin Hoffman
in der Rolle des jugendlichen Benjamin Braddock,
der von einer deutlich älteren Frau
(Anne Bancroft) verführt wird. Eben jene Mrs.
Robinson wird zum Quotenrenner, auf dem
Soundtackalbum kombiniert mit Titeln wie
Scarborough Fair, April Come She Will und
erneut: The Sound of Silence – letzterer nun
als klingende Metapher für Weltflucht und
jugendliche Trotzhaltung. Es folgt das Album
Bookends und, als vorläufig letzte gemeinsame
Hit-LP: Bridge Over Troubled Water, auf
der auch die Ballade The Boxer sowie Cecilia
und El Condor Pasa zu finden sind. 1972 trennen
sich Simon & Garfunkel, um jeder seiner
eigenen Wege zu gehen. „Still crazy after all
these years“ meldet sich Paul Simon schließlich
zurück, während Art Garfunkel seinen
„Breakaway“ auf gleichnamigem Soloalbum
feiert. 1981 unternehmen beide nochmals eine
gemeinsame Tournee, gipfelnd im legendären
Concert in Central Park in New York.
Dass das meistverkaufte Album des Duos
bis heute Simon & Garfunkels Greatest Hits ist
(mit weit über 10 Millionen verkauften Exemplaren),
zeigt zweierlei: bei allen noch so
respektablen Soloerfolgen liegt das Geheimnis
letztlich doch in der unverwechselbaren
Kombination des Singer-Songwriters Paul
Simon und einer Counterstimme wie
derjenigen
von Art Garfunkel. Und zweitens spielt der
„Originalklang“ eine nicht zu unterschätzende
Rolle, nämlich die einer ganz bestimmten
Ästhetik, die kaum zu trennen ist von den
Kompositionen und deren Textbotschaften.
Aus diesem Grund muss jede nachträgliche
Cover-Version kläglich scheitern – trotz
oder gerade wegen fortgeschrittener Perfektion
in der Aufnahmetechnik.
Damit sind wir wieder bei den Klassikern,
und zwar im doppelten Sinne. Denn die entscheidende
Rechtfertigung für das vorliegende
Album sind die Stimmen der Singphoniker.
Eines Ensembles, dessen Gründung vor
20 Jahren ich selbst aus nächster Nähe miterleben
durfte und dessen fulminanten künstlerischen
Aufstieg ich Etappe für Etappe mitverfolgt
habe. Überflüssig, die ganzen Preise
und Auszeichnungen hier aufzulisten, die die
Singphoniker inzwischen erhielten – als Klassiker
wohlgemerkt und in ihrer Eigenschaft als
eines der führenden Solistenensembles. Der
komplette Schubert auf 5 CDs, Michael Haydn,
Rossini, Orlando di Lasso, Grieg, Strauss und
Reger.
Ob das nicht viel zu weit weg ist von Simon &
Garfunkel und den sinnlichen Genüssen dieses
Pop-Genres? Genau das war die besondere
Herausforderung: diese Pop-Klassiker zusam-
menzubringen mit jenen anderen Klassikern,
deren stimmliche Möglichkeiten – Live-Auftritte
und Einspielungen wie die Concert
Collection beweisen es – schier unerschöpflich
scheinen. Ein Stück wie Bridge Over
Troubled Water einmal als kompakten Vokalsatz
zu hören; oder die latente Mehrstimmigkeit in
The Sound of Silence, The Boxer, Feelin’
Groovy unmittelbar umzusetzen. Nicht zu vergessen
(What a) Wonderful World, das ich
aus Art Garfunkels späterem Solo-Repertoire
entliehen habe, wohl wissend, dass der es
selbst bereits von Sam Cooke übernommen
hat. Klassiker eben.
Auch, dass einige Arrangements näher an
den Originalen sind als andere, hat seinen
Grund. Extremfall Cecilia: hier hat sich einfach
die Lust an der kreativen Veränderung Bahn
gebrochen. Ähnlich in El Condor Pasa, das ich
kurzerhand von Peru (der Herkunft dieses traditionals)
in Richtung Argentinien verpflanzt
habe – schon allein, damit die Panflöte eines
so exzellenten Solisten wie Ulrich Herkenhoff
allen Klischees ein Schnippchen schlagen
konnte. Apropos – hierin lag die andere Herausforderung
dieses Simon & Garfunkel-
Albums: die Panflöte als textlosen Mitsänger
zu integrieren in den Klang der Singphoniker.
Schließlich die Stücke, die eine Band von
vornherein unverzichtbar erscheinen ließen:
das erwähnte Still crazy after all these Years
und Crying in the Rain, Letzteres zu finden auf
Art Garfunkels 93-er Album „Up´Til Now“ (im
Duett mit James Taylor). Hierzu holten wir uns
einige handverlesene Musiker ins Studio, die
ihrerseits wiederum fruchtbare Impulse
gaben. Allen voran Abi von Reininghaus, dessen
Gitarrenkunst so manches Stück wundersam
beflügelte. Bis hin zu der Idee, April Come
She Will als ein zusätzliches „Lied ohne
Worte“ auf dieser CD zu verewigen, im Duett
mit Ulrich Herkenhoff. Weitaus früher hingegen
keimte die Idee auf, das allseits bekannte
Scarborough Fair dorthin zurück zu führen, wo
es seine ursprünglichen Wurzeln hat: ins
spätmittelalterliche England, aus dem uns
auch traditionals wie Greensleeves überliefert
sind. Während Letzteres von verschiedenen
Madrigalisten bearbeitet wurde, blieb
Scarborough Fair eine schlichte Volksweise,
wiederentdeckt 1966 durch das Simon & Garfunkel-
Album Parsley, Sage, Rosemary and
Thyme und angestoßen durch den englischen
Folk-Sänger Martin Carthy. Da von vornherein
klar war, dass in den Reihen der Singphoniker
nur einer als „Spätmadrigalist“ in Frage kam,
erging der Auftrag an Bariton Ludwig Thomas,
der denn auch wenige Tage später mit seiner
Madrigal-Fassung von Scarborough Fair
erschien. Sodass am Ende ein Singphoniker-
Album entstand, das in vielfacher Hinsicht
Horizonte weitet: denjenigen des Initiators
und Produzenten, denjenigen sämtlicher
musikalisch Beteiligter und vielleicht auch
denjenigen so manches Simon & Garfunkel-
Fans. Alles das wäre jedoch kaum hörbar
geworden ohne die Ohren und das Know-how
unseres Tonmeisters Ulrich Kraus.
Dank auch an Wilfried Hiller, Andreas Weidinger,
Rainer Bartesch, Bernhard Albrecht, Jim
Sampson und Axel Linstädt für kompetente
Beratung und Unterstützung.
Großzügige technische Unterstützung
erhielten wir von Joram Ludwig und seiner
Firma Media Assistance.
Ich widme diese CD meinem Freund Klaus
Kirschner.
Matthias Keller, September 2003