Franz Lehár
Der Zarewitsch
Tiberius Simu, Alexandra Reinprecht, Harald Serafin,
Marko Kathol, Sieglinde Feldhofer, Ciro deLuca
Chor und Orchester der Seefestspiele Mörbisch
Wolfdieter Maurer, Dirigent
Mit dem Beginn der Intendanz von Harald Serafin
1992 nahm der Aufstieg der Seefestspiele Mörbisch
zum „Mekka der Operette“ seinen Lauf. Heute verbucht
das Festival jährlich bis zu 220.000 Besucher
auf der Opern-Air-Bühne am Neusiedler See. Nach
einem Ausflug in den Grenzbereich zum Musical im
Jahr 2009 (My Fair Lady) steht dieses Jahr wieder ein
Operetten-Klassiker auf dem Programm: Der Zarewitsch
von Franz Lehár. Obwohl diese Operette eine
für das Genre ungewöhnlich tragische Handlung hat
und das Publikum ohne Happy-End aus der Vorstellung
entlässt, wurde sie ein großer Publikumserfolg,
der nicht zuletzt durch Richard Tauber beflügelt wurde,
dem das Stück auf den Leib geschneidert war.
In der Mörbischer Produktion ist der 1980 geborene
rumänische Tenor Tiberius Simu als Zarewitsch
zu hören sowie in der Rolle der Sonja Alexandra Reinprecht,
die bereits Gastspiele an der Oper unter den
Linden, der Staatsoper München, der Wiener Staatsoper
sowie den Festspielen von Salzburg und Bregenz
gab. Als Sonja trat sie bereits 2009 am Münchner
Prinzregententheater mit dem Münchner Rundfunkorchester
unter Ulf Schirmer auf.
Der Zarewitsch
Operette in drei Akten
(frei nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Zapolska-Scharlitt)
von Bela Jenbach und Heinz Reichert
Musik:
Franz Lehár
(1870–1949)
Einrichtung für die Seefestspiele Mörbisch: Peter Lund
Zarewitsch | | Tiberius Simu |
Sonja | | Alexandra Reinprecht |
Großfürst | | Harald Serafin |
Iwan | | Marko Kathol |
Mascha | | Sieglinde Feldhofer |
Bordolo | | Ciro De Luca |
Hauptmann | | Zoltán Galamb |
Festival Orchestra Mörbisch · Mörbisch Festival Choir
Wolfdieter Maurer, conductor
Bernhard Schneider, Choreinstudierung
Günter Fruhmann, musikalische Einstudierung
Tragik salonfähig gemacht
Zum Zarewitsch von Franz Lehár
Eigentlich ist es lobenswert, dass sich der
Thronfolger Alexej sportlich betätigt.
Wenn es aber so weit geht, dass selbst die
Liebe keinen Platz findet, wird es bedenklich.
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Jedenfalls hat der Zarewitsch nicht nur keine
Lust, den Schürzen hinterher zu jagen; vielmehr
ist er allem Weiblichen geradezu feindlich
gesinnt. So leistet die Balletttänzerin
Sonja ganze Arbeit, als sie der Großfürst, Alexejs
Onkel, als Mann verkleidet einschleust:
Sie fliegt auf – und dringt trotzdem zum weichen
Kern des harten Alexej vor. Dass es am
Ende nicht klappt und das zweisame Glück
traurig endet, ist umso bedauerlicher.
Und damit ist viel gesagt. Denn dass
Franz Lehár, der mit seinen Operetten zu
einem der reichsten Männer Österreichs
aufstieg und sich genauso gut auf diesem
Erfolg hätte ausruhen können, mit 57 Jahren
sein Schaffen um neue Aspekte erweitert, ist
bemerkenswert. Sein 1927 uraufgeführter
Zarewitsch trieft fast schon vor opernhafter
Tragik: Auf ein Happy End wartet man
vergeblich, was Lehár seinerzeit vorgeworfen
wurde. „Nichts gegen Lehárs Musik, aber
im Operettentheater sollen die Leute nicht
weinen“, meinte etwa sein Kollege Oscar
Strauss.
Schon 1917 hatte Lehárs Gattin Sophie
das Schauspiel Der Zarewitsch von Gabryela
Zapolska in Wien gesehen und war angetan.
Lehár, der bereits in Kukuschka russisches
Kolorit erprobt hatte, konnte sich indes
zunächst nicht damit anfreunden. Ebenso
erging es Pietro Mascagni, Schöpfer der Cavalleria
rusticana, und auch Eduard Künneke
– auch er mit der Vertonung des Stoffs
beauftragt – war wenig Feuer und Flamme:
Obwohl er bereits einen Akt vollendet hatte,
trat Künneke zurück, als Lehár doch noch
Gefallen an dem Sujet fand.
Lehárs Zarewitsch wurde ein großer Publikumserfolg,
was selbst George Gershwin
beeindruckte: Er traf sich 1928 mit Lehár in
Berlin. Den Triumph ermöglichte indes auch
der stimmliche Glanz des Titelhelden und
gefeierten Mozart-Tenors Richard Tauber;
Komponist und Sänger gingen eine staunenswerte
kreative Einheit ein. Doch obwohl
einige Ohrwürmer aus dem Zarewitsch in der
ganzen Welt zirkulierten, gab es in der Presse
viel Schelte – vor allem wegen des Librettos
von Béla Jenbach und Heinz Reichert.
Das Wolgalied „Allein, wieder allein“ allerdings
diente niemand Geringerem als dem
Nobelpreisträger Günter Grass als Inspiration
zu seinem Erzählband Mein Jahrhundert
von 1999. „Hast du dort oben vergessen auf
mich?“, singt Alexej von einem Soldaten in
einsamer Fremde. „Es sehnt doch mein Herz
auch nach Liebe sich. Du hast im Himmel
viel Engel bei dir! Schick doch einen davon
auch zu mir.“ Angesichts des unvorstellbaren
Leids und der gigantischen Trümmerfelder,
die zwei Weltkriege anrichteten, hat Lehár
mit diesen Worten vielen Menschen weltweit
aus der Seele gesprochen.
Florian Olters