OehmsClassics debut: Apollon Musagéte Quartett
Joseph Haydn: Streichquartett D-Dur op. 71/2
Johannes Brahms: Streichquartett a-Moll op. 51/2
Karol Szymanowski: Streichquartett Nr. 1 C-Dur op. 37
Rodion Shchedrin: Lyrische Szenen für Streichquartett
Apollon Musagéte Quartett
Vier junge polnische Musiker formen das Apollon
Musagète Quartett. Nach Abschluss ihrer solistischen
Studien und am Beginn Ihrer Tätigkeiten als Solisten
und in führenden Orchesterpositionen entschlossen
sie sich zu einer gemeinsamen Zukunft als Quartettformation.
Das Apollon Musagète Quartett wurde
2006 in Wien gegründet. Bereits zwei Jahre später
gewann es den ersten Preis im Internationalen Musikwettbewerb
der ARD in München. Seitdem geht
seine Karriere steil bergauf. Mittlerweile hatte das
Quartett bereits Debüts in einigen der bedeutendsten
Säle wie Münchner Herkulessaal, Berliner Philharmonie
und Londoner Wigmore Hall. Gebucht ist
das Quartett in der laufenden Saison bereits für die
Dresdner Philharmonie, Fruchthalle Kaiserslautern,
Schwetzinger Festspiele, Schleswig-Holstein Musik
Junges Streichquartett
erobert die großen Bühnen
Festival u.a. Philharmonie Köln, Laeiszhalle Hamburg,
Concertgebouw Amsterdam stehen für 2011
auf dem Tourplan. Die Debüt-CD des Apollon
Musagète Quartetts zeigt die verschiedene Aspekte
seiner Arbeit: Wiener Klassik in einer zeitgemäßen
Interpretation, das große romantische Repertoire
sowie Werke polnischer Komponisten. Außerdem
zu hören: Das Auftragswerk für Streichquartett beim
ARD-Musikwettbwerb 2008, die „Lyrischen Szenen“
von Rodion Shchedrin, für deren Interpretation das
AMQ zusätzlich zum Gesamtsieg einen Sonderpreis
errang.
„Unter den Quartetten der jungen Generation die ich
kenne, halte ich das Apollon Musagéte Quartett für
das beste. Ich sage dem Quartett eine große Karriere
voraus!“
Günther Pichler, Alban Berg Quartett
Mehrdimensional
Das Apollon Musagète Quartett im Porträt
Unerwartet kam der Erfolg zwar nicht; dass
sie aber derart abräumen würden, war
dann doch eine kleine Sensation. Denn nicht
nur landeten sie auf den ersten Platz, sondern
heimsten zugleich fast sämtliche Sonderpreise
ein. Das war 2008 beim 57. Internationalen
Musikwettbewerb der ARD in München, als
unter anderem im Fach Streichquartett gewetteifert
wurde. Zu diesem Zeitpunkt war
das Apollon Musagète Quartett gerade einmal
zwei Jahre alt.
Es war 2006, als Pawel Załejski und Bartosz
Zachłod (Violine) sowie Piotr Szumieł
(Viola) und Piotr Skweres (Cello) in Wien
gemeinsam ein Streichquartett gründeten.
Apollon musagète – so heißt ein Ballett von
Igor Strawinsky in zwei Bildern, das 1927/28
entstanden ist und in der Choreografie von
George Balanchine am Pariser Théâtre Sarah-
Bernardt berühmt wurde. In ihm tanzt Apollon,
Gott der Musik, mit den drei Musen
Kalliope (Poesie), Polyhymnia (Hymnendichtung)
und Terpsichore (Tanz) und führt
sie zum Parnass-Gebirge.
„Das Apollinische soll verwirklicht werden“,
formulieren die vier Musiker aus Polen
in einem Gespräch mit der Kammermusik-
Zeitschrift Ensemble (Ausgabe 1/2010) ihr
Ziel: „Dass alle Künste zusammenkommen.
Wir wollen mehrdimensional denken. Wir
wollen gestalten, schauspielerisch, klanglich,
von allen Seiten betrachtet.“ Dabei meint das
Mehrdimensionale durchaus auch die Interpretation,
die für sie stets und unbedingt
das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Befragung
und eines gleichberechtigten Diskurses
ist. Ihre großen Lehrmeister waren die Mitglieder
des Alban Berg Quartetts, schon kurz
nach der Gründung wurde die junge Formation
in die renommierte European Chamber
Music Academy (ECMA) aufgenommen.
„Der Vorteil bei der ECMA im Gegensatz
zu anderen Einrichtungen ist, dass sie einem
viele Ansichten und unterschiedliche Zugänge
zu den Werken eröffnet.“ Aber: „Wenn man so
viele Meinungen erhält, ist man gezwungen,
sich zu entscheiden. Und das hat uns geholfen
– uns zu entscheiden, was genau zu uns und
zu unserer Spielweise passt.“ Bevor jedoch die
Entscheidung fällt, wird intensiv studiert.
„Streichquartett ist ein Fulltime-Job“, bekennen
sie. „Man macht das von morgens bis
abends. Natürlich gehört dazu, dass man die
Aufführungspraxis und die Tradition kennt.
Zuerst analysieren wir die Partitur, erst jeder
für sich, dann besprechen wir das gemeinsam.“
Es ist also ein Prozess, der zum Gemeinsamen
führt, und das Ergebnis selbst kann
sich wandeln. Deshalb erstaunt auf dem CDDebüt
des Apollon Musagète Quartetts nicht
zuletzt die Gestaltung des Streichquartetts
D‑Dur Hob.III:70, op. 71/2 von Joseph Haydn.
Wer die vier 2008 beim Semifinale des ARDMusikwettbewerbs
mit Mozarts „Dissonanzen-
Quartett“ erlebte, dem wird hier die
vibratobewusst schlanke, fast schon federnd leichte
Artikulation ihrer Haydn-Interpretation auffallen:
In der Zwischenzeit hat sich ihre Sicht
auf die Wiener Klassik verändert, und auch
ihre Interpretation des Streichquartetts a-Moll
op. 51/2 von Johannes Brahms besticht durch
weit atmenden, luziden Lyrismus, der den
Romantiker eher als Klassiker begreift.
Ein wesentlicher Aspekt ihres künstlerischen
und programmatischen Profils ist
zudem die Ergründung und Pflege von allgemein
weniger bekannter Musik aus ihrer
Heimat Polen: „Das ist einer unserer Punkte,
die wir verwirklichen wollen“, betonen sie.
Für ihre erste CD haben sie das Streichquartett
Nr. 1 C-Dur op. 37 von Karol Szymanowski
ausgesucht. Das Werk ist im Sommer 1917
entstanden und verrät Einflüsse des französischen
Impressionismus, des ekstatischen
Lyrismus eines Alexander Skrjabin sowie von
Richard Strauss. Scharfe Dissonanzen, die –
wie Szymanowski schreibt – als „unberechenbare
Exaltationen der Psyche“ ein „erotisches
Klima“ hervorriefen, führen in das „fühlbare
Material des Klangs“.
Mit den Lyrischen Szenen für Streichquartett
von Rodion Schtschedrin wurde schließlich
eine Ersteinspielung realisiert. Das
2006 komponierte Werk war beim 57. ARDMusikwettbewerb
Pflichtstück für alle teilnehmenden
Ensembles. Die Uraufführung
fand am 11. September 2008 im Rahmen des
Quartett-Semifinales im Münchner Prinzregententheater
statt, und für seine Interpretation
wurde das Apollon Musagète Quartett mit
einem Sonderpreis gewürdigt. Schon der Titel
verrät, dass der russische Komponist mit
diesem Werk die musikalische Moderne des
20. Jahrhunderts reflektiert.
So hatte Alban Berg 1925/26 eine Lyrische
Suite für Streichquartett komponiert, die sich
seinerseits auf die 1922/23 entstandene Lyrische
Sinfonie von Alexander von Zemlinsky
bezieht. Schtschedrins Lyrische Szenen sind
durch Buchstaben in achtzehn Abschnitten
unterteilt und weisen neun konkrete Bezeichnungen
von Zeitmaß und Charakter
auf. Die Szenen sind nicht strikt voneinander
getrennt, sondern gehen überwiegend
fließend ineinander über. Zahlreiche knifflige
Doppelgriffe, 32tel-Passagen im Unisono,
bisweilen geräuschhafte Spielweisen oder
Rückzüge bis in den gehauchten, mehrfachen
Pianissimo-Bereich, die alle äußerst
virtuos eingesetzt werden, machen das Werk
zu einer spieltechnischen und interpretatorischen
Herausforderung.
Mit dieser Uraufführung begann seinerzeit
für das Apollon Musagète Quartett die
Beschäftigung mit aktueller zeitgenössischer
Musik, was künftig fortgesetzt werden soll.
Zudem engagieren sich die vier Musiker in
der kammermusikalischen Ausbildung: In
Goslar laden sie alljährlich Mitte August zu
einem Meisterkurs mit Vollstipendien für jeweils
vier bedürftige, konzertbreite Quartettformationen.
Dieser Kurs soll nun zu einem
Apollon Musagète Quartett-Festival ausgebaut
werden; „natürlich auch nach unserer Idee von
Apollon Musagète“, verraten sie – „mit Sprechern
bei den Konzerten und anderen Aspekten“.
Man darf gespannt sein, was sich dieses
Quartett noch so alles einfallen lässt.
Florian Olters
Die direkten Zitate wurden freundlicherweise
zur Verfügung gestellt von:
Carsten Dürer: Erfolgsrezept: Ideenreichtum &
Konsequenz. Apollon Musagete Quartett, in: Ensemble,
1/2010, S. 10–15.
www.ensemble-magazin.de