Klassik  Sinfonische Musik
Bertrand de Billy & ORF Radio Symphonie Orchester Wien Ludwig van Beethoven: Sinfonien 5&6 OC 630 SACD
1 Stück sofort lieferbar. Lieferung bis Dienstag, 29. April 2025 Preis: 15,99 EURO

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FormatSuper Audio CD
BestellnummerOC 630
Barcode4260034866300
LabelOehmsClassics
Erschienen am04.07.2008
Verkaufsrang13552
Mitwirkende/rMusiker Komponist/en
  • Beethoven, Ludwig van

Hersteller/EU Verantwortliche Person

Hersteller
  • UnternehmensnameNAXOS DEUTSCHLAND Musik & Video Vertriebs-GmbH
  • AdresseGruber Straße 46b, 85586 Poing, DE
  • e-Mailinfo@naxos.de

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      Juwel musikalischer Hörfreuden“, „Beethoven ernstgenommen“, „Nicht irgendein x-ter Aufguss“, „Endlich ein Beethoven für Kenner und musikalische Geister“: Die internationale Presse war voll des Lobes, als Bertrand de Billy und das Radio-Symphonieorchester Wien 2007 Beethovens 3. Sinfonie „Eroica“ bei OehmsClassics vorstellten. Mit der Fünften und Sechsten, der „Schicksalssinfonie“ und der „Pastorale“, liegen nun zwei der populärsten Sinfonien von Beethoven vor. Prämisse bei Bertrand de Billys Interpretationen ist stets absolute Texttreue, die auch die Befolgung der originalen Tempobezeichnungen zwingend beinhaltet, um die Proportionen der Werke zu erhalten. Während die 5. Sinfonie von ihrem schicksalhaften Klopfmotiv bestimmt wird und sich vom Dunkel ins finale Licht entwickelt, zählt die „Pastorale“ zu den wichtigsten Programmmusiken überhaupt. Gewitter, Vogelrufe oder derber Bauerntanz – Beethovens Partitur schäumt geradezu über vor Einfällen.

      Von den Sternen der Freiheit zur Moral der Empfindung

      Anmerkungen zu Beethovens Symphonien Nr. V und VI

      Mit der V. und VI. Symphonie gelangen wir ins Zentrum von Ludwig van Beethovens symphonischem Schaffen. Der mit der „Eroica“ eingeschlagene Weg manifestiert sich, und die Verbindungen, Querverbindungen, Antagonismen und die thematisch absichtsvollen Gegensätze bzw. Querbezüge innerhalb der einzelnen Werke, aber auch der einzelnen Symphonien zueinander sind kaum zu entflechten. So reichen die ersten Skizzen der V. Symphonie in c-Moll bereits in die „Eroica“-Zeit hinein, werden dann durch die IV. Symphonie (in B-Dur) unterbrochen und schließlich im Herbst 1807 zur endgültigen Ausführung wieder vorgenommen. Parallel dazu entwickelt sich die thematisch scheinbar so gegensätzliche VI. Symphonie in F-Dur, die später unter dem Titel „Pastorale“ weltberühmt wird – und zwar derart parallel, dass sie in der Zeit der Uraufführung teilweise noch als V. Symphonie firmierte.

      Tatsächlich erklang bei der Uraufführung beider Werke, die in jener musikgeschichtlich einzigartigen „Akademie“ am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien stattfand, zu Beginn des Abends zuerst die Pastorale und erst zu fortgeschrittener Stunde als vorletztes Werk die Symphonie in c-Moll. Über dieses Ineinanderfließen wesentlicher Arbeiten Beethovens und die paarweise Entstehung insbesondere der V. und VI. Symphonie einerseits sowie andererseits der VII. und VIII. unmittelbar danach ist bereits viel geschrieben und spekuliert worden. Ebenso ist nicht zu übersehen, dass auf die „ungeraden“ Symphonien III, V und VII, denen man allesamt einen heroischen Charakter attestieren könnte, mit den „geraden“ Symphonien IV, VI und VIII vom Charakter her eher ruhigere, freundlichere und teilweise auch humorvollere Werke folgen. Es ist hier nicht der Ort darüber weiter zu philosophieren, obwohl man durchaus mit Gewinn für die Werke auf wesentliche Erkenntnisse stoßen kann. Wir wollen uns aber zumindest im Falle der beiden hier vorliegenden Symphonien einige konkrete Gedanken machen, die diesen Bereich zumindest immer wieder berühren werden.

      Zur V. Symphonie

      Die Eckdaten – erste Skizzen um 1803, Ausarbeitung 1807, Uraufführung 1808 – wurden bereits erwähnt. Die Tatsache, dass sich bereits in den „Eroica“-Skizzenbüchern erste Versuche zur Symphonie in c-Moll finden (besonders das berühmte Anfangsmotiv), ist von Bedeutung. Auch dass der Charakter der V. Symphonie dem der „Eroica“ nahesteht, ist evident und steht in Hinblick auf die zeitliche Nähe ebenfalls in einem Zusammenhang. Wenn man die gesamte Entwicklung des symphonischen Schaffens von Beethoven betrachtet, begreift man, dass es mehr als ein Zufall gewesen sein mag, wenn er zwischen den Kolossen der III. und V. die eher heiter und lyrisch gehaltene IV. Symphonie in BDur schuf. Wie beim „Bonaparte“-Klischee, das der „Eroica“ anhaftet, so muss bei der V. Symphonie einem anderen Klischee entgegengetreten werden: dem der „Schicksals- Symphonie“. Dass mit den ersten Takten ein unbarmherziges Schicksal an irgendwelche Pforten klopfen soll, ist eine Mystifikation und hält keiner seriösen Überprüfung stand. Ebenso wie die III. Symphonie ist auch die V. auf das Finale hin konzipiert; dass der 5. Satz attacca auf den 4. folgt, macht diese Anlage in der V. noch deutlicher. So wie in der „Eroica“ im letzten Satz die Prometheus-Thematik dominiert und zu voller Entfaltung gelangt, findet man die Erklärung zum „Programm“ der V. ebenfalls in ihrem Finale.

      Zunächst zum berühmten Eingangsmotiv des 1. Satzes (Allegro con brio), der vielleicht berühmtesten Eröffnung einer Symphonie überhaupt: Wie bereits erwähnt, gehören die ersten Skizzen zu diesem Motiv zur allerersten Beschäftigung Beethovens mit der Symphonie. Der Entwicklung dieser Skizzen, der Gestaltung und Untersuchung des motivischen Einfalls sind mehrfach interessante Studien gewidmet worden, die sehr klar zeigen, in welchem hohen Maß Beethoven vom Gedanken des Motivs bereits auf die Struktur des ganzen Satzes zielte bzw. wie dieses Motiv schlussendlich die Form des Satzes geradezu diktierte. Auch das zweite Thema des 1. Satzes steht in unmittelbarer Verwandtschaft zum Hauptmotiv. Man kann sogar mit einigem Recht behaupten, dass dieser erste Satz eine geradezu monothematische Entwicklung nimmt, die ebenso seine lapidare Kürze wie auch Schärfe mit charakterisiert. Die Analyse lässt in ihrem Aufbau unschwer die Sonatensatzform erkennen: Exposition – Durchführung – Reprise – Coda. Beethoven aber lässt sich niemals von der Form den Inhalt diktieren, im Gegenteil: Die Form hat dem Gehalt des Ganzen zu dienen. So zeigen die Skizzen des Kompositionsprozesses, wie Beethoven geradezu systematisch Unregelmäßigkeiten und Irritationen in die Wucht und den vorwärts drängenden Charakter dieses einzigartigen Satzes einarbeitet.

      Auch formal gibt es Parallelen zur „ Eroica“. So wirkt die Reprise verkürzt, die Coda hingegen ist derart ausgeweitet, dass sie nahezu den Charakter einer zweiten Durchführung hat. Ein zweites Moment des Satzes mag den zeitgenössischen Hörern wohl einige Irritation bereitet haben: In Takt 268 intoniert die Oboe ein fast klagendes Motiv, das mit seinem „Adagio“ in starkem Gegensatz zum Hauptzeitmaß „Allegro con brio“ steht. Diese Gegensätze zwischen dem drängenden Haupttempo und einem retardierenden Element innerhalb des Satzes bewirken erst dann den von Beethoven intendierten Effekt, wenn man seinem Wunsch nach einem sehr raschen Tempo Rechnung trägt (und auch die Wiederholungsangaben für die Exposition ernst nimmt, was leider, besonders im 4. Satz, allzu oft vernachlässigt wird).

      Dem geradezu fanatischen und stürmischen Ausdruck des 1. Satzes setzt Beethoven im 2. Satz auf den ersten Blick ein beruhigendes Element entgegen, ein „Andante“ allerdings mit der Bemerkung „con moto“. Im Gegensatz zum 1. Satz verwendet Beethoven im 2. die Variationenform; also ein Thema, hier gefolgt von drei Variationen. Dabei lässt er sich vom Grundcharakter der Symphonie aber keineswegs abbringen. So lyrisch der Satz mit dem Thema eingeleitet wird, so schnell erreicht er spätestens in Takt 29 mit einer Fanfare wieder jenen Ausdruck unbeugsamer Energie, dessen Auflösung und Deutung wir erst im 4. Satz erfahren werden. Allerdings schimmert auch im 2. Satz der Gedanke des Sonatensatzes durch. Die ganze Thematik der Symphonie erlaubte es Beethoven nicht, einfach und formal linear zu gestalten, und so weist z. B. die 2. Variation durchaus Ähnlichkeit mit einer Durchführung auf.

      Das „Allegro“ des 3. Satzes setzt den Weg ins Finale unbeirrt fort. In ihm unterscheidet sich die vorliegende Aufnahme von (fast) jeder bisher existierenden. Nahezu alle Partitur-Ausgaben, die heute erhältlich sind, zeigen den 3. Satz in einer dreiteiligen Form mit einer langen Überleitung, an die sich nahtlos das Finale anschließt. Dieser Gestalt liegen demgemäß die meisten Analysen dieses Satzes zugrunde. Bertrand de Billy, der Dirigent dieser Aufnahme, hat sich allerdings nach langem Studium und den verschiedensten Versuchen in der Praxis entschlossen, der von Peter Gülke 1978 erstmals veröffentlichten Version zu folgen, die die Anlage des 3. Satzes als fünfteilig ausweist. Die Verwirrung in diesem Punkt stiftete der Komponist selbst, indem die Originalhandschrift eine andere Aussage trifft (nämlich die fünfteilige) als der Stimmensatz der Uraufführung bzw. die ersten Druckausgaben – die allerdings wiederum überzählige Takte der noch fünfteiligen Anlage enthielten. Als ob diese widersprüchlichen Vorlagen nicht reichten, existiert noch ein verwirrender Briefwechsel zwischen Beethoven und seinem Verlag über die Streichung bzw. Nichtstreichung dieser überzähligen Takte.

      Weder das vorliegende Notenmaterial noch der Briefwechsel können somit endgültig Aufschluss geben. Und so muss es letzten Endes der Interpret sein, der eine Entscheidung trifft – wenn er denn seine Stellung als „composer’s advocat“ (Erich Leinsdorf ) oder als „double“ des Komponisten (René Leibowitz) ernst nimmt. Bertrand de Billy hat nicht nur das Material und die vorliegenden Argumentationen eingehend studiert, sondern auch im Konzert mehrfach beide Versionen ausprobiert und kam für sich zum Schluss, dass die fünfteilige Anlage wohl Beethovens eigentliche Intention gewesen sein muss; denn die Aufführungen erwiesen sich in der fünfteiligen Form des 3. Satzes wesentlich logischer im Hinblick auf die Struktur der ganzen Symphonie und die Logik des 3. Satzes an sich. Auch weisen sämtliche im Umkreis der V. Symphonie entstandenen Werke Beethovens eine fünfteilige Anlage auf (nicht nur die IV., VI. und VII. Symphonie, sondern auch praktisch alle damals entstandenen größeren Kammermusikwerke).

      In der vorliegenden Form erscheint nun der 3. Satz in der Abfolge A-(Minore)-B- (Maggiore)-A-B-A’. Diese Einteilung kommt so zustande, dass ab Takt 239 der erste Teil des Satzes ab dem 5. Takt zur Gänze wiederholt wird. Der Satz beginnt im Pianissimo mit einer Phrase, die unisono von den Celli und Kontrabässen vorgetragen und ab dem 6. Takt ausdrücklich im Pianissimo von den übrigen Streichern mit Unterstützung von Horn, Fagott und Klarinette fortgeführt wird und auf einer Fermate endet. Noch einmal wird das gleiche Motiv angesetzt, noch einmal bleibt es an der Fermate sozusagen „hängen“, um mit einem auftrumpfenden Fanfarenmotiv der Hörner kontrastiert zu werden. Die enge Verwandtschaft, vor allem im Gestus, mit dem Einleitungsmotiv des 1. Satzes ist unüberhörbar. Im Trio dieses Satzes setzt nun Beethoven dieser Fanfare ein Fugato entgegen, das neuerlich von den tiefen Streichern unisono intoniert wird und teilweise von rhythmischen Absonderlichkeiten nur so strotzt. Auch hier führt er die bewusste Unruhe des 1. und 2. Satzes fort, die völlig auf die Auflösung im Finale hinzielen.

      Den Schluss des Satzes bildet nun nicht eine Wiederholung des A-Teils, sondern ist eine der aufregendsten Eingebungen Beethovens überhaupt: eine Abwandlung, die zugleich eine direkte Überleitung zum Finale bildet und in dieser Form nachweislich erst in einem sehr späten Stadium der Komposition entstand. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, musste Beethoven allerdings schon im 2. Teil des Trios den Satz über alle Konventionen hinweg verdichten – um so nicht nur die Rückkehr zum Scherzo logischer zu machen, sondern auch den Weg zum Finale hin vorzubereiten. Die Ausarbeitung des (in der hier vorliegenden Version) 5. Teils könnte man fast als eine Skelettierung des Scherzomaterials sehen: Zuerst vernimmt man noch den Wechsel zwischen Bogen und Pizzicato, dann behalten die Violinen im Gegensatz zu den Bratschen das Pizzicato bei, bis der Rhythmus, der wiederum deutlich an das Eröffnungsthema der Symphonie gemahnt, nur mehr im Pianissimo der Pauke zu vernehmen ist. Dagegen setzen im ppp die Streicher zuerst nur liegende Noten, bis eine vage Bewegung entsteht, die an die Eröffnungsfigur dieses Satzes gemahnt. Sodann hebt in den letzten acht Takten ein Crescendo an, das attacca mit dem ersten ff-Einsatz des Finales abgebrochen wird.

      „Per aspera ad astra“ – wörtlich: durch Mühsal [Härte] gelangt man zu den Sternen, oder freier: „durch Nacht zum Licht“: Das könnte wohl als Motto über der ganzen Symphonie stehen, die nun in diesem C-Dur-Finale kulminiert. Piccolo, drei Posaunen und ein Kontrafagott treten zum bisherigen Instrumentarium dazu. Formal steht der vierte wie zuvor der erste Satz in einer vierteiligen Sonatenhauptsatzform. Anders aber als die fast monothematische, auf äußerste Knappheit bedachte Strenge des Kopfsatzes ufert hier die Erfindungsgabe Beethovens geradezu aus. Auch bei der Ausarbeitung der Themen nimmt er sich nun Zeit: Allein die Exposition umfasst mit Hauptthema, Seitenthema, Seitensatz und Stretta-Schluss 85 Takte. Darauf folgt in der Durchführung vor allem eine Verarbeitung des Seitenthemas, vor der Reprise schiebt Beethoven noch eine Reminiszenz an das Hornmotiv und die Überleitung des Scherzos ein. Den breitesten Teil nimmt nun mit 110 Takten die Reprise ein, die schließlich in die zweiteilige Coda mündet – mit ihren berühmten, scheinbar nie enden wollenden Schlussakkorden.

      Der plötzliche Reichtum des Materials und die Ausführlichkeit der Verarbeitung führen uns nun auch zu der bei Peter Gülkes Analyse besonders hervorgehobenen Beziehung zur französischen Revolutionsmusik. Bereits in den 1920er Jahren hat Arnold Schmitz auf die Bezüge Beethovens zu Cherubini, Gossec und anderen französischen Komponisten der Revolutionszeit hingewiesen. Gülke zeigt auf, dass Beethoven direkt aus Rouget de l’Isles (dem Verfasser der Marseillaise) „Hymne dithyrambique“ geradezu die Losung der französischen Revolution „La liberté!“ in die V. Symphonie hinein komponiert hat. Es soll hier gar nicht die Frage diskutiert werden, ob Beethoven nun bewusst zitiert oder nur aus dem Geiste der französischen Revolutionsmusik heraus geschaffen hat (Gülke). Wesentlich bleibt die Intention und vor allem, dass die gesamte Symphonie auf dieses Finale hinausläuft. Bereits im 2. Satz finden wir Querbezüge zu dem, was im Finale zu einer geradezu hymnischen Raserei in „la liberté“ führt: Das „dolce“-Thema der Holzbläser in As-Dur wird ff vom gesamten Orchester unterbrochen und in C-Dur mit Vehemenz zum Schluss geführt. Im Finale baut sich nun diese „liberté“-Raserei bereits zum ersten Mal ab dem 4. Takt auf, erscheint in der Durchführung ganz unauffällig in den Celli wieder und übernimmt nach und nach die Führung, um am Schluss geradezu in einen „dithyrambischen Jubel“ (Gülke) hineinzutanzen.

      Zur VI. Symphonie Beethovens „Pastorale“ entstand mit ziemlicher Sicherheit während der Sommermonate 1807 bis hin ins Frühjahr 1808. Obwohl sich auch zu dieser Symphonie einzelne Skizzen bereits im viel zitierten „Eroica“-Skizzenbuch von 1803 finden, gibt es keinen Hinweis auf einen konkreten symphonischen Plan. Dieser muss wohl erst parallel zur Zeit der Ausarbeitung der V. festgestellt werden. Die Bezeichnung „Pastorale“ weist auf das Phänomen der Naturbeschreibung mit musikalischen Mitteln hin, das bereits vor der Zeit Beethovens gängig war. Beethoven steht damit in einer Tradition, die sich bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt. Er war sich der Beispiele in der Musikgeschichte bzw. im Schaffen seiner Zeitgenossen durchaus bewusst. Diese lassen sich bekanntermaßen etwa bei Telemann, Händel, Vivaldi oder Bach finden und natürlich in Haydns Oratorien, die Beethoven sicherlich kannte.

      Des Komponisten Untertitel zu seiner VI. Symphonie „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“ weist nachdrücklich darauf hin, dass er mit seiner Musik keine „naturalistische“ Schilderung der Natur mit Mitteln der Musik im Sinn hatte. Dem steht nicht nur der Haupttitel „Pastoral-Symphonie oder Erinnerung an das Landleben“ entgegen, sondern auch die Übertitel, die der Komponist jedem einzelnen der Sätze ausdrücklich hinzugefügt hat. Auch zu dieser Praxis gibt es historische Parallelen. So findet man zum Beispiel bei Justinus Heinrich Knecht ein 1791 geschriebenes mehrsätziges Orgelstück Die durch ein Donnerwetter unterbrochene Hirtenwonne mit durchaus ähnlichen Satztiteln: „I. Die Hirtenwonne in angenehmen, mannigfach abwechselnden Gesängen, II. Die allmähliche Herannahung des Donnerwetters, welches sich sowohl durch ein fernes Donnern, als durch die schwüle (mit dumpfen Harmonien ausgedrückte) Luft ankündigt, und die frohen Gesänge der Hirten stört, III. Der heftige Ausbruch des Donnerwetters selbst, unter welchem einigemale die in Jammmern gekehrten Lieder der Hirten vernommen werden, IV. Der langsame Abzug desselben, und die darauf folgende Aufheiterung der Luft, V. Die Fortsetzung und der Beschluss der vorher unterbrochenen wonnenvollen Hirtengesänge.“

      Noch davor, im Jahr 1784, komponierte Knecht ein fünfsätziges Orchesterwerk, eine Grande Symphonie mit dem Titel „Portrait Musical de la Nature“, deren Satzbezeichnungen denen der „Pastorale“ vielleicht noch näher kommen. Und auch bei anderen Komponisten der Beethovenzeit (wie Georg Joseph Vogler, Leopold Mozart oder dem Mozartschüler Franz Jacob Freystädtler) findet man konkrete Vorbilder. Bei einem Menschen wie Beethoven, von dem man weiß, dass er nicht nur jede erreichbare Partitur gelesen, sondern viele davon auch sorgfältig studiert und exzerpiert hat, ist anzunehmen, dass er zumindest einen Großteil dieser Werke gekannt hat.

      Beethoven übernahm aber niemals einfach nur gängige Zeitströmungen, sondern veränderte sie so radikal, dass sie die Musikgeschichte nachhaltig beeinflussten. In einem Skizzenbuch heißt es wörtlich: „Jede Mahlerei, nachdem sie in der Instrumentalmusik zuweit getrieben, verliehrt“. Beethovens Naturverbundenheit ist nicht nur hinlänglich belegt, sie ist über den Ausdruck seines unmittelbaren Wohlbefindens in der Natur hinaus eine grundsätzliche Lebens- und Geisteshaltung. Wir wissen einiges über Beethovens Lektüre, und neben seiner ständigen Auseinandersetzung mit Homer oder Goethe kennen wir zum Beispiel angestrichene Passagen in einer Ausgabe des Werkes Betrachtungen über die Werke Gottes im Reiche der Natur und Vorsehung auf alle Tage des Jahres, verfasst vom evangelischen Geistlichen Christoph Christian Sturm. In einem Essay von Rüdiger Heinze weist dieser zu Recht auf Parallelen mit Immanuel Kants Allgemeiner Naturgeschichte hin, ein Werk, das Beethoven in einem Konversationsheft ausdrücklich erwähnt.

      Das Moralische Gesez in unß u. der gestirnte Himmel über unß – dieses Zitat lässt sich in vielfältiger Weise auf Beethovens Denken und Werk anwenden. Für die Pastorale muss es über allen Titeln und Untertiteln gleichsam als übergeordnetes Thema stehen. Wenn man bei seinem symphonischen Werk davon spricht, dass die „Eroica“ die erste deutlich auf das Finale hin zielende Symphonie ist, so muss dies für die „Pastorale“ nicht nur formal und thematisch, sondern insbesondere inhaltlich gelten. Der Lobgesang der Hirten im 5. Satz „Dank an die Gottheit“ ist vielleicht der beredteste Ausdruck Beethovens für jenes Bewusstsein der inneren moralischen Verpflichtung unter jenem „Gestirnten Himmel“, den er dann in seinem letzten symphonischen Werk mit den Worten Schillers besingen lässt: „Brüder! Überm Sternenzelt, muss ein lieber Vater wohnen… Such ihn überm Sternenzelt! Über Sternen muss er wohnen.“

      Dies ist tatsächlich nicht mehr nur „Empfindung als Malerei“, sondern vielmehr eine Lebensphilosophie in Tönen ausgedrückt. Peter Hauschild weist in seiner Analyse (Edition Peters) auch anhand der Skizzen darauf hin, dass die Eröffnung des 5. Satzes – ein Hirtenmotiv – die Keimzelle zur ganzen Pastorale darstellt. Wir finden dieses Thema bereits im Eingangsmotiv des 1. Satzes, sowie in unterschiedlichen Formen verarbeitet am Beginn jedes weiteren Satzes (was den 5. betrifft, so ist diese „Einleitung“ der Choral des ausgehenden 4. Satzes). Die Tonart F-Dur steht schon in der Musikgeschichte vor Beethoven häufig für die Schilderung der Natur. Auf den ersten Blick gesehen hat der 1. Satz der VI. Symphonie mit der Tempobezeichnung „Allegro ma non troppo“ (Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen) genau wie ihr „Schwesterwerk“, die V. Symphonie, keine langsame Einleitung wie etwa die IV. oder VII. Eine weitere Parallele kann man entdecken: dass sich nämlich das retardierende Element des Anfangs quasi auf eine Fermate beschränkt. In der V. wird man sofort mit dem Thema konfrontiert, dessen letzter Ton in der Fermate die Energie noch verstärkt. In der VI. kommt das Thema gleichsam wie eine Floskel unvermittelt herein, um am Ende der Fermate innezuhalten.

      Erst mit den nächsten Takten wird klar, dass wir uns – wie bei der V. – bereits mitten im thematischen Geschehen befinden. Diese Verknappung benutzt Beethoven zum ersten Mal in der „Eroica“. Dort stellt er allerdings quasi mit den zwei harten Es-Dur-Akkorden gleichsam das Ergebnis der ganzen Symphonie an den Anfang, um danach vor unseren Ohren zu entwickeln, wie es dazu kam, während in der V. und der VI. Symphonie das thematische Material unmittelbar den Ausgangspunkt bildet. Überhaupt sind die Parallelen in den beiden Symphonien V und VI in kompositorischer Hinsicht viel enger, als es ihr unterschiedlicher Charakter vermuten lässt. In vier Takten stellt Beethoven uns in der „Pastorale“ das wesentliche thematische Material vor, um dann in weiteren 508 Takten gleichsam darüber zu meditieren. Dies geschieht allerdings in einer so kunstvollen Durchführung im Rahmen der Sonatenhauptsatzform und in einem Beziehungsgeflecht von Dur-Tonarten, die selbst in Beethovens Werk einzigartig dastehen.

      Im 2. Satz „Andante molto moto“ („Szene am Bach“) kommt Beethoven der Naturschilderung wohl am nächsten, etwa bei der Darstellung des Wassers gleich zu Beginn des Satzes oder bei den Vogelstimmen am Ende. Drei Vogelstimmen hat Beethoven selbst in der Partitur bezeichnet: Nachtigall, Wachtel, Kuckuck. Auch der 2. Satz ist von seiner formalen Anlage her ein Sonatenhauptsatz, in dem die Variationenform eingearbeitet ist (ähnlich wie in der V., wo die Anlage ein Variationensatz ist, jedoch die Sonatenhauptsatzform darunter durchschimmert). Die erwähnten Vogelrufe bilden dann in der Coda des Satzes gleichsam eine fixierte Kadenz. Ebenso wie im 1. Satz können hier nicht annähernd die in sich durchaus komplexe Anlage und fast ziselierten Feinheiten beschrieben werden. Das Ergebnis ist jedoch die Fortführung der Grundstimmung des 1. Satzes sowohl durch die Beziehungen der Tonarten (z.B. steht der 2. Satz in B-Dur, genau wie der Beginn der Durchführung des 1. Satzes) wie auch die Verarbeitung des Grundmaterials.

      „Lustiges Zusammensein der Landleute“ überschreibt Beethoven den 3. Satz („Allegro“), der gleichzeitig den ersten Teil des Schlusstryptichons bildet, denn dieser und die beiden folgenden Sätze gehen pausenlos ineinander über, sind also quasi „durchkomponiert“. Er ist in der klassischen Struktur eines Tanzsatzes gehalten, was aber auch leicht in die Irre führt – als „Scherzo“ bezeichnet Beethoven nur in der II. und III. Symphonie den 3. Satz. Ein Menuetto wie in der I. ist es hier schon gar nicht, denn nun tritt uns völlig unvermittelt der Beethoven der „Deutschen Tänze“ entgegen. Rudolf Bockhold argumentiert in seiner Analyse durchaus überzeugend, dass der 3. Satz in Wahrheit den Angelpunkt der Symphonie und eigentlich ein logisches Finale zu den zwei vorangegangenen Sätzen bilde, würde nicht die Gewalt des Gewitters das Vergnügen nachhaltig vernichten. Somit deutet er das eigentliche Finale als „Epilog“. Im 3. Satz aber treten zum bisherigen Instrumentarium nun die Trompeten hinzu, und auch dies ist nicht völlig harmlos gemeint. Zwar bricht Beethovens Humor in diesem Satz durch – in absichtlichen rhythmischen Fehleinsätzen wird hier ländliche Dorfmusik charakterisiert –, aber die Trompete konterkariert eher das heitere Treiben, als dass sie es unterstützt, und baut so eine Vorahnung auf das Kommende auf.

      Der 4. Satz ist ein Allegro und hat den Untertitel „Gewitter, Sturm“. Dramaturgisch erleben wir mit dem Übergang vom 3. zum 4. Satz die Unterbrechung des „Lustigen Zusammenlebens der Landleute“, während gegen Ende das nachlassende Gewitter der anschließenden allgemeinen Erleichterung und Dankbarkeit Raum lässt. Mit dem 4. Satz stellt Beethoven alle bisherigen Schilderungen von Naturgewalten weit in den Schatten. Nachdem im vorangegangenen Satz bereits die Trompete hinzugetreten ist, finden nun zudem Pauken, Posaunen und Piccolo ihren Einsatz. Das bisher verwendete Instrumentarium reizt Beethoven bis in extremste Lagen aus, ebenso wie die dynamische Bandbreite vom Pianissimo bis zum Fortissimo – mit allen subtilen Zwischenabstufungen. Zum ersten Mal in dieser Symphonie tritt uns nun – allerdings mit höchster Vehemenz – eine Moll-Tonart entgegen. Beethovens Ausdruck für das Bedrohliche (Egmont-Ouvertüre, Florestan- Arie) ist f-Moll. Aus dem pp baut sich der Satz bedrohlich auf, entwickelt wellenartig in den ersten zwei Dritteln eine Steigerung bis zum Höhepunkt bei Takt 106. Nun brechen auch die Posaunen herein, im letzten Drittel beruhigt sich das musikalische Geschehen allmählich, bis der Satz wieder im pp endet.

      Das Finale, mit „Hirtengesang. Wohltätige, mit Dank an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm“ betitelt, hat als Tempobezeichnung ein maßvolles Allegretto in 6/8. Die Form erscheint zunächst als Rondo übersichtlich und dem „beruhigenden“ Charakter des Satzes angemessen, aber Beethoven wäre nicht Beethoven, wenn nicht auch hier Formelemente – sowohl des Sonatenhauptsatzes als auch der Variation – mit einflössen. An dieser Stelle muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass Beethovens formale wie kompositorische Verarbeitung weit über jede platte Naturschilderung hinauszielte. Rudolf Bockholdt hat darauf hingewiesen, dass die choralartigen Schlussakkorde des 4. Satzes in abgewandelter Form zu Beginn jedes Satzes gleichsam als Symbol für den Naturgedanken auftauchen und diese wiederum aus dem Anfangsmotiv heraus entwickelt sind. Genauso steht der einleitende Quart-Sext-Akkord in engster Beziehung mit dem Anfangsmotiv des Werkes. Aus dem Akkord entwickelt sich nach wenigen Takten in der Violine das Hauptthema und stellt – sich über den ganzen Satz stetig steigernd – das Preislied der Natur, der Schöpfung und des Schöpfers dar.

      In dem eingangs zitierten Werk von Christoph Christian Sturm hat Beethoven die folgenden Worte hervorgehoben: „Man kann die Natur mit Recht eine Schule für das Herz nennen, weil sie uns auf sehr einleuchtende Art die Pflichten lehrt, welche wir sowohl in Absicht auf Gott, als auf uns selbst und auf unsere Nebenmenschen auszuüben schuldig sind“. Man könnte also die „Pastorale“ durchaus weniger als tönende Naturschilderung denn als klingende Lebensmaxime Beethovens betrachten, eben: „Das Moralische Gesez in unß u. der gestirnte Himmel über unß“.

      Michael Lewin

      Diese Arbeit verwendete als wesentliche Grundlagen folgende Werke: P. Gülke: Zur Neuausgabe der Sinfonie Nr. 5 v. Beethoven, Leipzig 1978. A. Sandberger: Zur Pastoralsymphonie in: Ausgewählte Aufsätze, München 1923. H. Schenker: Beethoven V. Symphonie in: Der Tonwille, Wien 1921. Peter Hauschild: Beethoven Sinfonie Nr. 6, Leipzig 1985. Rudolf Bockholdt: Beethoven VI. Symphonie F-Dur, München 1981. Martin Geck: V. Symphonie in: Die 9 Symphonien Beethovens, München 1994, Hg. v. R. Ulm. VI. Symphonie in: Die 9 Symphonien Beethovens, München 1994, Hg. v. R. Ulm, sowie die Revisionsberichte von Jonathan del Mar, 1998/99 Kassel.


      Titelliste weniger

      SACD 1
      • Ludwig van Beethoven (1770-1825)
        Symphony No. 5 in C Minor, Op. 67
        • 1.Allegro con brio06:58
        • 2.Andante con moto08:36
        • 3.Allegro07:37
        • 4.Allegro10:07
      • Symphony No. 6 "Pastoral" in F Major, op. 68
        • 5.Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen. – Allegro ma non troppo11:14
        • 6.Szene am Bach. – Andante molto moto11:36
        • 7.Lustiges Zusammensein der Landleute. – Allegro05:11
        • 8.Donner. Sturm. – Allegro03:38
        • 9.Hirtengesang. Wohltätige, mit Dank an die Gottheit verbundene Gefühle nach dem Sturm. – Allegretto08:36
      • Total:01:13:33