Klassik  Operette
Seefestspiele Mörbisch Das Festival der Operette · Operetta Festival OC 700 10 CD
1 Stück sofort lieferbar. Lieferung bis Mittwoch, 30. April 2025 Preis: 49,99 EURO

Detailinformationen weniger

Format10 Audio CD
BestellnummerOC 700
Barcode4260034867000
LabelOehmsClassics
Erschienen am30.05.2007
Verkaufsrang13464
Mitwirkende/rKomponist/en
  • Kálmán, Emmerich
  • Lehár, Franz
  • Offenbach, Jacques
  • Strauß, Johann
  • Zeller, Carl

Hersteller/EU Verantwortliche Person

Hersteller
  • UnternehmensnameNAXOS DEUTSCHLAND Musik & Video Vertriebs-GmbH
  • AdresseGruber Straße 46b, 85586 Poing, DE
  • e-Mailinfo@naxos.de

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      Beschreibung weniger

      Jacques Offenbach: Pariser Leben
      Johann Strauß: Die Fledermaus, Eine Nacht in Venedig, Der Zigeunerbaron
      Carl Zeller: Der Vogelhändler
      Franz Lehár: Die Lustige Witwe, Der Graf von Luxemburg, Das Land des Lächelns
      Emmerich Kálmán: Die Csárdásfürstin, Gräfin Mariza

      Mörbisch Festival Orchestra · Mörbisch Festival Choir
      Rudolf Bibl, conductor

      50 Jahre Seefestspiele Mörbisch – dieses Jubiläum begleitet OehmsClassics mit einer Sonderpreis-Box mit zehn der erfolgreichsten Mörbischer Operettenproduktionen der letzten Jahre. Stets Garant für musikalische Qualität und echten Operettencharme sind und waren der Intendant, Harald Serafin, der in einigen Fällen auch selbst in einer Gesangsrolle zu erleben ist, sowie Maestro Rudolf Bibl, Ehrenmitglied der Wiener Volksoper und international gefragter Dirigent für das Repertoire der Strauß-Dynastie. Unmittelbar teilen sich die Freude und das Engagement eines Sängerensembles mit, das durch die Einbeziehung zahlreicher junger Sänger besondere Energie und Spontaneität gewinnt. Jahr für Jahr sind die Seefestspiele Mörbisch der Anziehungspunkt für Operettenfans schlechthin. 200.000 Besuchern pro Saison machen das Burgenland zum Operetten-Mekka.

      Das Festival der Operette

      CD 1  Jacques Offenbach     Pariser Leben
      CD 2   Johann Strauß   Die Fledermaus
      CD 3   Johann Strauß   Eine Nacht in Venedig
      CD 4   Johann Strauß   Der Zigeunerbaron
      CD 5   Carl Zeller   Der Vogelhändler
      CD 6   Franz Lehár   Die Lustige Witwe
      CD 7   Franz Lehár   Der Graf von Luxemburg
      CD 8   Franz Lehár   Das Land des Lächelns
      CD 9   Emmerich Kálmán   Die Csárdásfürstin
      CD 10   Emmerich Kálmán   Gräfin Mariza


      SEEFESTSPIELE MÖRBISCH
      INTENDANT HARALD SERAFIN
      FESTIVAL ORCHESTRA MÖRBISCH · MÖRBISCH FESTIVAL CHOIR
      RUDOLF BIBL, Dirigent / conductor

      „Mein Mörbisch“

      Intendant kann man bekanntlich nicht lernen, Intendant kann man werden und dann schauen, dass aus der Berufung ein Beruf wird. Im Nachhinein, also nach fünfzehn Jahren Intendanz weiß ich, was für mich und meinen Weg von entscheidender Bedeutung war. Es war natürlich gut, dass ich eine jahrzehntelange Theater-Erfahrung als Sänger hatte, natürlich war es gut, dass ich mit vielen erstklassigen Dirigenten und Regisseuren gearbeitet habe, aber das allein hätte nie und nimmer gereicht. Der Dreh- und Angelpunkt meiner Arbeit ist meine leidenschaftliche Liebe zur Operette und meine felsenfeste Überzeugung, dass man sie mit aller Kraft und den allerbesten Kräften hegen und pflegen muss. Dazu kommt mein Temperament, meine unbändige Freude auf jeden neuen Tag, auf jede neue Herausforderung. Deshalb gab und gibt es nichts, was mich nicht interessiert.

      Mir wurde der kleine Ort Mörbisch „geschenkt“, um aus dieser kleinen Seebühne ein Festival von Rang zu schaffen – für das Genre, das mir am meisten am Herzen liegt – die wunderbare klassische Operette! Dafür ist mir keine Mühe zu groß, keine Fremdenverkehrsmesse zu weit. Ich besuche Messen, um für „meine“ Operette zu werben und zu trommeln, ich gebe Interviews, wann immer man mich darum ersucht, keine Zeitung ist mir zu klein, kein Medium zu unbekannt. Ich schaue immer nach vorn, will immer noch mehr, kümmere mich auch um das kleinste Detail, der status quo ist mir nie genug, alles ist in Bewegung, und ich will es in Bewegung halten – die Operette ist, meine Berufung, mein Leben – und was für ein Leben!

      Wenn es um „meine“ Operette geht, ist mir nichts Last, ich tue alles dafür, um ihr immer noch mehr Zuschauer zu bescheren. Ich lasse mit erstklassigen Sängern Operetten produzieren, die – was einmalig ist auf der Welt, immer auch auf CD und DVD erscheinen – mit einem großen und großartigen Ballett, mit international erfahrenen Künstlern, die Regie führen, einem überragenden Bühnenbild, opulenten Kostümen, ausgezeichneter Licht- und Tonregie, Mikrophonen auf höchstem internationalen Niveau und einer hervorragenden musikalischen Leitung.

      All das zusammen hat dafür gesorgt, dass sich in den letzten 15 Jahren die Zuschauerzahlen mehr als vervierfacht haben – und mein Mörbisch von den Medien den Ehrentitel „Mekka der Operette“ erhielt!“

      Harald Serafin


      Harald Serafin
      Intendant

      Harald Serafin ist am 24.12.1931 in Litauen geboren. Seine Mutter stammt aus Salzburg, sein Vater aus Italien. Nach der Flucht aus Litauen wächst Harald Serafin in Bamberg/Bayern auf. Nach acht Semestern Medizinstudium entscheidet er sich für den Sängerberuf. Seine Lehrer sind Prof. Wilhelm Schönherr und der große Kammersänger Willi Domgraf-Fassbaender.

      Erste Engagements erhält Serafin in Aachen, Bern, St. Gallen, Ulm und Zürich. Der berühmte Regisseur und Schauspieler Otto Schenk erkennt Serafins spezielles Talent und bringt ihn auf den richtigen Weg: Harald Serafin wird der „singende Bonvivant der Operette“!

      1970 sucht das Theater an der Wien einen Nachfolger für Johannes Heesters als Danilo in der Lustigen Witwe. Prof. Rolf Kutschera, damals Intendant des Theaters an der Wien, findet in Serafin seinen neuen Danilo. Das Theater an der Wien wird nun neben der Volksoper Wien seine neue künstlerische Heimat. Er steht als Danilo 1700 mal auf der Bühne und schreibt mit seiner Darstellung Operettengeschichte.

      Es folgen viele Auftritte im Film und Fernsehen im In- und Ausland, Konzertreisen nach Amerika und Japan und diverse Platteneinspielungen. Jerome Savary bestand auf Harald Serafin als Raoul in Pariser Leben in Frankfurt und auf seinen Danilo in der Lustigen Witwe an der Volksoper Wien.

      „Jede Zeit hat ihren Danilo, der unsrige heißt ab heute Serafin!“ schrieb damals „Die Presse“. Die New York Times bezeichnet ihn als „Walter Matthau der Wiener Operette“ und Ginger Rogers meinte nach einem Londoner Konzert, Serafin sei ein „wienerischer Maurice Chevalier“.

      Im Jahr 1985 wird Harald Serafin der Berufstitel „Kammersänger“ verliehen.

      1989 muss sich Serafin einer Stimmband-operation unterziehen, eine Zäsur in seiner Sängerkarriere.

      1992 wird ihm die Intendanz der Seefestspiele Mörbisch angeboten – ein Traum, den er schon lang geträumt hatte: „Träume erfüllen sich nicht von heute auf morgen. Aber man muss sie träumen, damit sie irgendwann Realität werden!“

      Aus der kleinen Mörbischer Bühne macht Serafin im Laufe der Jahre die größte Seebühne der Welt und ein weltweit anerkanntes Festival der klassischen Operette. Dieser Traum ist im Jahre 2007 fünfzehn Jahre alt, und schon längst ist aus Mörbisch das „Mekka der Operette“ geworden: Großangelegte Zu- und Umbauten werden unter Serafins Leitung getätigt, er lässt den Zuschauerraum kontinuierlich auf 6.400 Plätze erweitern, das bedeutet jährlich mehr als 200.000 Zuschauer, Ton- und Lichtanlagen werden auf den international optimalen Stand gebracht. Dazu kommt Serafins untrügliches Gespür für junge, unverbrauchte Stimmen, für attraktive Darsteller, die zu Publikumslieblingen werden. Seine PR-Begabung und sein Geschäftssinn sind sprichwörtlich. Harald Serafin hat sich dafür stark gemacht, dass alle Produktionen der Seefestspiele Mörbisch auf CD aufgenommen werden und weltweit vertrieben werden, was in der heutigen Zeit einzigartig ist.

      Serafins komisches Talent als Schauspieler für die Bühnen der Kammerspiele und des Theaters in der Josefstadt wird von Felix Dvorak und Otto Schenk entdeckt. Mit „Moral“ von Ludwig Thoma bei den Berndorfer Sommerspielen 1992, „Trau keinem über 60“ von Gunther Beth und „Der Mann, der sich nicht traut“ von Curth Flatow erntet Serafin Beifallsstürme.

      1998 holt ihn Helmuth Lohner wieder an die Kammerspiele und mit „Nur keine Tränen, Liebling“ von Norman Brasch und Carroll Moore und „Beste Freunde“ von William Douglas Home geht die schauspielerische Erfolgsgeschichte Harald Serafins weiter.

      Seine Tochter Martina aus Serafins erster Ehe mit der Volksopernsängerin Mirjana Irosch ist auf dem Weg zur Weltkarriere, und Sohn Daniel aus der Ehe mit seiner jetzigen Frau Ingeborg „Mausi“ Serafin studiert ebenfalls Gesang und steht mit seinem schönen Bariton noch am Beginn seiner Karriere.

      Nach 13 Jahren Unterbrechung seiner sängerischen Laufbahn steht er seit 2004 wieder auf der Bühne der Wiener Volksoper: als Beaubuisson im Opernball von Richard Heuberger und als Delacqua in Eine Nacht in Venedig von Johann Strauß.

      Mit diesen vom Publikum bejubelten Rollen ist der Umstieg ins Fach des „Komischen Alten“ gelungen. Auch in Mörbisch steht Serafin in diversen Rollen dieses Fachs auf der Bühne.

      „Der Gesang und die Musik haben es mir ermöglicht zu werden, was ich immer sein wollte – ein freier Mensch!“

      Harald Serafin – Auszeichnungen:

      1985  Verleihung des Berufstitels „Kammersänger“
      1995  Verleihung des Titels „Professor“ durch Bundespräsident Dr. Thomas Klestil
      1996  Verleihung des „Komturkreuzes“ durch den burgenländischen Landeshauptmann Karl Stix
      1999  Verleihung des „Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien“
      2001  Verleihung des „Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse“
      2006  Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Volksoper Wien
      2006  Verleihung des Wiener Rathausmanns


      Rudolf Bibl

      Musikalische Leitung Geboren in Wien als Enkel eines Wiener Hofkapellmeisters – und selber das, was man im besten Sinne des Wortes Dirigent der „alten Schule“ nennt. Klavierspielen und Dirigieren erlernte er in Wien, die Praxis erwarb er als Kapellmeister in Innsbruck, Graz und Trier. Seit 1973 ist er Hauskapellmeister der Wiener Volksoper und weltweit gefragter Maestro im Repertoirebereich Operette und Strauß-Dynastie. 1989 Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse. Seit 1991 Ehrenmitglied der Wiener Volksoper und 1999 Auszeichnung mit dem silbernen Ehrenkreuz der Republik Österreich. Seit 1995 musikalischer Leiter der Seefestspiele Mörbisch und Gründer des Symphonie-Orchesters Burgenland. In letzter Zeit: Fledermaus an der Berliner Staatsoper u. Die Lustige Witwe und Fledermaus an der Opéra Bastille Paris. Im Herbst 2005 standen wieder eine Produktion in Graz und im Jänner 2006 sechs Konzerte mit dem NHK-Orchester in Tokio auf dem Programm.

      Mit Temperament, Virtuosität und Lebensfreude –
      Das Mörbischer Operetten-Mekka in Höchstform


      Für die 50-jährige Erfolgsgeschichte der Seefestspiele Mörbisch mögen viele Namen stehen, doch keiner hat sich um das Traditionsfestival so verdient gemacht wie Kammersänger Prof. Harald Serafin. Mit dem Beginn seiner Intendanz im Jahr 1992 nahm ein wirtschaftlicher und künstlerischer Aufschwung sondergleichen seinen Lauf. Rasch schnellten die Zuschauerzahlen in ungeahnte Höhen. In den vergangenen Jahren kamen jeden Sommer bis zu 220.000 Besucher an den Neusiedlersee.

      Serafins erste Tat dort war, die Stechmücken zu vertreiben. Er benutzte dazu keine Chemie, sondern ließ deren Brutstätten kurzerhand zubetonieren. Als nächste Maßnahme wurde ein neuer Raum gebaut, in dem das Orchester während der Aufführungen spielt – heute bekannt als „Serafins Badewanne“. Außerdem verfügt man nun in Mörbisch über eine großartige technische Anlage, die die elektroakustisch verstärkten Singstimmen mit dem Orchesterklang perfekt abmischt. Schließlich musste der Zuschauerraum erweitert werden, um die gestiegenen Kartenwünsche befriedigen zu können. Die Tribüne bietet jetzt 6.200 Operettenfans Platz.

      Da Serafin aus einem Geschäftshaushalt stammt und in Sachen PR und Marketing einige Erfahrungen am Broadway sammeln konnte, wusste er von Anfang an, worauf es ankommt: Er ist nämlich vor allem ein Intendant zum Anfassen. In Mörbisch begrüßt er das Publikum schon beim Einlass. Die Leute wissen, dass er für die Qualität der Aufführungen persönlich bürgt. Schließlich braucht gerade die notorisch unterschätzte Operette Darsteller mit großer Persönlichkeit, bezauberndem Charme und hinreißender Stimme.

      Kurz gesagt: Ohne das Multitalent Harald Serafin wäre Mörbisch nicht das, was es heute ist – das weltweit größte und erfolgreichste Operettenfestival. Unter seiner Leitung entstand ein echtes „Operetten-Traumland“. Und wie man an den enthusiastischen Reaktionen des Publikums ablesen kann, ist die viel diskutierte Erneuerung dieser Kunstform gar nicht notwendig. Denn die Operette lebt vom Kitsch. Kitsch geschmackvoll und intelligent zu zeigen ist sehr, sehr schwierig und bedarf höchster Virtuosität. Aber in Mörbisch gelingt das, und zwar schon seit 1957.

      Die vorliegende Jubiläums-CD-Box bietet die Möglichkeit, einen Großteil der Produktionen der vergangenen 15 Jahre Revue passieren zu lassen. Sie ist damit nicht nur ein klingendes Dokument der Ära Serafin, sondern hält den lebendigen Umgang mit dem Genre Operette an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert fest.

      * * *


      Offenbachiade par excellence:
      Pariser Leben


      Noch Kurt Weill war von Offenbach „einfach erschlagen ... vom dem Reichtum an parodistischen Einfällen“, der „ernste Inhalte … in ihrer schärfsten Prägnanz erscheinen lässt“. Und in der Tat hat keiner gesellschaftliche Verhältnisse so zum Hüpfen gebracht wie der am 20. Juni 1819 in Köln geborene Jacques Offenbach. Niemand pumpte so viel schäumende Lebendigkeit in erstarrte Zeiten wie er ins Seconde Empire unter Louis Napoleon III. So waren die Jahre zwischen 1855, als der Komponist sein Theaterunternehmen, die Bouffes Parisiens, gründete, bis zum Ende des Zweiten französischen Kaiserreichs 1870 die eigentliche Hochzeit in Offenbachs Schaffen. Damals, in den Geburtsjahren seines satirischen Musiktheaters, entstanden die Operetten- Welterfolge Orpheus in der Unterwelt, Die schöne Helena und Pariser Leben.

      Grundlage dafür war eine früh bei Offenbach ausgeprägte Beobachtungsgabe von Menschen, denen er begegnete. Sie befähigte ihn, immer neue, vor Esprit berstende Operetten mit gesellschaftskritischen Momenten zu komponieren. Über 100 solcher „Offenbachiaden“ stammen aus seiner Feder. Neben Pariser Leben zählen Blaubart und Die Großherzogin von Gerolstein zu den bekanntesten. Trotz der bisweilen sehr deutlichen Anspielungen auf die intrigante und korrupte Pariser Gesellschaft waren die „Offenbachiaden“ wahre Publikumsrenner – selbst bei denen, die gebrandmarkt werden. Wenn Kritik humorvoll verpackt und mit zündenden Melodien garniert ist, lässt sie sich eben leichter schlucken…

      Pariser Leben – Die Handlung

      Wir befinden uns in der französischen Hauptstadt um das Jahr 1866 herum, also in der Entstehungszeit des Werks. Der Bahnhof von Trouville ist der Ausgangspunkt eines Spiels um Verwirrung, Liebe, Erotik und Rache. Zwei junge Pariser Lebemänner, Raoul de Gardefeu und Bobinet Chicard, warten jeder für sich auf die schöne Metella. Doch die attraktive Edelkokotte erscheint am Arm eines neuen Freiers und zeigt an den beiden Herren nur wenig Interesse. Da beschließen Raoul und Bobinet in die vornehmen Salons zurückzukehren, zu den „Damen von Welt“. Das kommt billiger… Gardefeu wittert sogleich eine Gelegenheit: Er hofft auf ein Abenteuer mit der schottischen Lady, die eben mit ihrem Mann Lord MacDonald angereist ist. Beiden bietet er sich erfolgreich als Fremdenführer an. Immer mehr Reisende aller Nationen und von allen Kontinenten strömen zusammen. Dazu zählt ein reicher Brasilianer, der alljährlich den Ozean überquert, um sein Geld hemmungslos im Pariser Nachtleben zu verschleudern.

      Lord und Lady glauben, sie seien in der Dependance des Grand Hotels untergebracht. Doch Gardefeu hat das Paar – nicht ohne Hintergedanken – in seinem eigenen Haus einquartiert. Damit es die Gäste nicht merken, lässt er einige Handwerker, darunter den Schuster Frick und die Handschuhmacherin Pauline, mit ihren Freundinnen und Freunden kommen. Als Lord und Lady MacDonald zum festlichen Mahl erscheinen, lernen sie zu ihrem Erstaunen eine seltsame Gesellschaft kennen. Doch wird ihnen erklärt, das sei die typische „High Society“ von Paris. Und dabei soll diese Table d’hôte nur ein Vorgeschmack sein auf die gesellschaftlichen Delikatessen des nächsten Abends! Gardefeu hat dem Lord nämlich eine Einladung ins Haus eines Admirals verschafft. Ihm allein, ohne die Gattin, die bei der erlesen gemischten Geselligkeit sicher hinderlich wäre…
      Die Haute volée, die der Lord vorfindet, ist von verwirrender Eleganz – und sehr außergewöhnlich. Mit einiger Verspätung erscheint nun auch Bobinet, als gastgebender Admiral verkleidet, beim Fest. Schnell ist die ganze Gesellschaft berauscht: vom Champagner, von der Musik, der Oper … und der Magie dieser Stadt. Währenddessen steuern die Feierlichkeiten in Paris auf ihren Höhepunkt zu. Der reiche Brasilianer lädt zu einem Masken ball ins Café Anglais, wo die Chefin Madame de Bonichon weiß, worauf es ankommt!

      Inzwischen ist es Mitternacht geworden, und die viel begehrte Metella macht sich Gedanken über die Nächte und die Liebe in Paris. Das Fest des Brasilianers ist in vollem Gange: Er und die Handschuhmacherin haben sich gefunden. Doch rundum gibt es amouröse Verwicklungen, Enttäuschung und Missverständnisse: Der Lord, der hinter all die Possen gekommen ist, die man ihm vorgespielt hat, will sich mit Raoul de Gardefeu duellieren. Mit Rafinesse und Diplomatie gelingt es Madame de Bonichon jedoch, alles in Champagnerlaune aufzulösen… Dem Zauber von Paris widersteht nun mal keiner!

      Gerade für Jacques Offenbachs Pariser Leben trifft die weise Erkenntnis des Literaturwissenschaftlers Volker Klotz voll und ganz zu: „Wo die Operette den Alltag nicht in die Ferne entrückt, muss sie ihn an Ort und Stelle verrücken.“ Der besondere Witz des am 31. Oktober 1866 im Théâtre du Palais Royal in Paris uraufgeführten Stücks besteht darin, ein schiefes schönes Fernbild der Stadt mit einem nicht ganz so schiefen, aber immer noch schönen Nahbild zu kreuzen: Wie sehen und erleben Fremde ihr mitgebrachtes Klischee vom prachtvollen, weltläufigen, verworfenen Pariser Leben? Und wie führen und erleben es die Einheimischen selbst? Dieser Doppelperspektive folgt das Textbuch von Henri Meilhac und Ludovic Halévy.

      Offenbach feiert in seiner Musik den menschlichen Elan vital an sich. „Selbst im Sterben werde ich noch eine Melodie unter der Feder haben…“, versprach der Komponist folgerichtig und hielt – kurz vor seinem Tod am 5. Oktober 1880 – mit der „ernsthaften“ Oper Hoffmanns Erzählungen wirklich Wort.

      * * *


      Alle Schuld ist vergeben:
      Die Fledermaus


      Mit seiner Fledermaus ist Johann Strauß dem Offenbach’schen Vorbild so nahe gekommen wie kein anderer. Schon das Libretto greift auf dramaturgische Verfahren des Pariser Lebens zurück, wandelt sie aber fürs eigene Geschehen geschickt ab. Man denke vor allem an das irrwitzige Trugspiel mit Maskerade und Rollenwechsel. Zudem stammt die französische Vorlage Le Réveillon aus der Feder des Pariser Leben-Autorengespanns Meilhac und Halévy. Der Direktor des Theaters an der Wien, ein cleverer Ungar namens Max Steiner, spekulierte darauf, dass ein Stück von diesen mit allen Wassern gewaschenen Metier-Artisten auch in Wien erfolgreich sein werde.

      Daher erwarb er das Textbuch für sein Haus. Schließlich gab er es an den Tagespossenschreiber des Carl-Theaters, den paradoxerweise aus dem ostpreußischen Königsberg stammenden Carl Haffner und dessen westpreußischen Landsmann Richard Genée aus Danzig weiter, der als Kapellmeister, Komponist und Librettist seit 1868 in Wien lebte. Was diese beiden mit Réveillon anstellten, wurde zum besten Textbuch, das Strauß jemals in die Hand bekam. Alle Bedenken, die er früher gegen das Schreiben für die Bühne gehabt hatte, waren wie weggeblasen. Sofort entschloss er sich zur Komposition und zog sich in seiner Hitzinger Villa praktisch von der Welt zurück. Nach 43 Tagen legte er eine Partitur vor, bei der so gut wie jeder Takt den Stempel seiner Persönlichkeit trägt.
      Endlich hatte er sich von Jacques Offenbach, der in Wien einst Triumphe feierte, emanzipiert. Strauß wusste, dass er eine ganz andere Natur war als sein in Frankreich beheimateter Kollege, dessen frecher, ätzender Spott jenseits seiner Ausdrucks- und Kunstmittel lag. Sein Ziel war es, als Operettenkomponist dieselbe Dignität zu erlangen wie als Walzerkönig. Dies war ihm mit der Fledermaus geglückt.

      Die Fledermaus – Handlung

      Inhaltlich sind die Fledermaus-Verwicklungen ein Viel Lärm um Nichts des 19. Jahrhunderts. Die Handlung spielt in Wien, wie es sich um 1870 darbot. Vorgeschichte: Der wohlhabende Rentier Gabriel von Eisenstein hat einmal seinen Freund, den Notar Dr. Falke, hereingelegt, und nun will Falke Schlimmes mit Schlimmerem vergelten.

      Die freiwillig-unfreiwilligen Protagonisten dieses Racheplans sind Eisensteins Stubenmädchen Adele, seine Ehefrau Rosalinde, deren früherer Verehrer Alfred und der Gefängnisdirektor Falke. Durch letzteren droht der von langer Hand geplanten Revanche ernstlich Gefahr: Eisenstein muss wegen der Attacke auf einen Amtsdiener eine Gefängnisstrafe absitzen, die durch die Ungeschicklichkeit des Advokaten Dr. Blind noch erhöht worden ist. Da muss sich der Rächer Falke gleich selbst herbemühen, um seinen Gast am fristgemäßen Antreten der Haft zu hindern, indem er ihm plausibel macht, dass es „für seine Gesundheit“ nötig sei, sich vorher noch eine Nacht lang zu zerstreuen. Weil Eisenstein nicht zum Gefängnis kommt, muss sich das Gefängnis zu Eisenstein bemühen. Auf dem heimischen Sofa findet Frank, der auch zum „Rache-Souper“ eingeladen ist, den vermeintlichen Hausherrn im Tête-à-Tête mit Rosalinde. Alfred macht gute Miene zum bösen Spiel…

      Im Gartenpalais des Prinzen Orlofsky ist der Ball bereits im vollem Gange. Adele lässt sich als große Schauspielerin einführen, und Eisenstein stellt sich als Marquis Renard vor. Sogar der Gefängnisdirektor ist als Chevalier Chagrin anwesend. Zudem wartet Dr. Falke mit einem erlauchten Gast auf: Er führt Rosalinde in der Maske einer ungarischen Gräfin in die Gesellschaft ein, die sogleich Eisensteins ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nicht ahnend, wen er vor sich hat, umgarnt er die vermeintliche Gräfin, der es – zwecks späterer Überführung – gelingt, ihm eine schon bei früheren Liebesaffären vielfach bewährte Repetieruhr abzuluchsen. Nach überreichlichem Champagner-Genuss müssen sich Eisenstein alias Rénard und Frank alias Chagrin auf dem Kulminationspunkt des Taumels gegenseitig stützen. Die Standuhr – von Falke heimlich vorgestellt – schlägt sechs und mahnt zur bevorstehenden Haftstrafe. Eiligst brechen sowohl Gefängnisdirektor Frank als auch Eisenstein auf getrennten Wegen zum gleichen Ziel auf: dem städtischen Kittchen.

      Dort spielt der letzte Akt. Zu dem Gefängnisaufseher Frosch und dem noch einsitzenden Alfred gesellen sich der von der durchzechten Nacht sichtlich gezeichnete Frank, dann – von Ida begleitet – Adele. Sie bittet Frank um Protektion bei ihrem Bemühen, sich aus den Diensten der Eisensteins zu lösen, um eine Schauspielkarriere einzuschlagen. Rosalinde kommt, um Alfred zu besuchen, und dieser hat einen Rechtsbeistand angefordert, um aus der misslichen Lage befreit zu werden: So ist auch Dr. Blind unterwegs. Der zum Strafbeginn eintreffende Eisenstein muss erfahren, dass schon ein anderer „Eisenstein“ einsitzt. Hellhörig geworden, verkleidet er sich als Advokat Blind und erfährt von Alfred und Rosalinde, was vertuscht werden soll. Seine Eifersuchtsschreie verstummen jedoch jäh, als die „ungarische Gräfin“ das corpus delicti, die einbehaltene Uhr, vorzeigt. Schließlich erscheint, von Falke und Orlofsky angeführt, die übrige Ballgesellschaft, die inzwischen in die Rache-Absichten Falkes eingeweiht wurde. Alles war also abgekartet, und auch der Flirt mit Alfred wird nachträglich miteinbezogen – Generalamnestie eben. Gabriel drückt seine Rosalinde ans gutgläubige Herz: „… nur der Champagner war an allem schuld.“

      Wie der Champagner zum Ersten aller Weine, wurde die am 5. April 1874 im Theater an der Wien uraufgeführte Fledermaus zur Ersten aller Operetten gekrönt. Kein Geringerer als Gustav Mahler, der sie gar als „komische Oper“ bezeichnete, hat in ihr die vollendete Musikkomödie erkannt. Dieses höchste Lob für ein Bühnenwerk der leichten Muse gilt der idealen Übereinstimmung von Text und Musik: Jede Musiknummer ist der Ausdruck der Situation und zugleich eine perfekte Charakterschilderung. Die geniale Konzentration von Fröhlichkeit und Lebensfreude, wie sie der Komponist in die Fledermaus gepackt hat, ist nie wieder erreicht worden.

      Durch seine stets melodienreiche, heitere und manchmal von einer ganz ursprünglichen Komik geprägte Musiksprache erweckt er Charaktere zum Leben, die auf dem Papier des bloßen Librettos fast schäbig wirken: Eisenstein ist jähzornig und liederlich, Rosalinde spielt mit dem Feuer des Ehebruchs, Falke dürstet nach Rache, Orlowsky wirkt ausschweifend und blasiert. Strauß hat alle mit seiner musikalischen Farbe versehen und ihnen damit nicht nur Leben eingehaucht, sondern quasi vor sich selbst gerettet. Das Happy End könnte nicht ungetrübter sein: Kein einziger Unsympath bleibt übrig, alle Schuld ist vergeben.

      * * *


      Getäuschte Täuscher:
      Eine Nacht in Venedig


      Unter Strauß’ 16 originalen Bühnenwerken waren es drei, die der gesamten Gattung zum Durchbruch verhalfen: Die Fledermaus (1874), Eine Nacht in Venedig (1883) und Der Zigeunerbaron (1885). Bis heute konnten diese Stücke ihre szenische Schlagkraft ungeschwächt behaupten. Verglichen mit der Fledermaus ist Eine Nacht in Venedig vielleicht sogar musikalisch reicher, aber dramatisch erheblich wackliger. Verglichen mit dem nachfolgenden Zigeunerbaron ist sie, was kompositorische Satztechnik und Instrumentation anlangt, einfacher gearbeitet, riskiert dafür aber auch nirgends, sich pathetisch oder sentimental zu überheben.

      Wie es zu Strauß’ Entscheidung für das Textbuch aus der Werkstatt von Camillo Walzel alias „F. Zell“ und Richard Genée kam, ist unklar. Möglicherweise hat der Komponist selbst eine Handlung angeregt, die in Venedig spielt. Seinem künstlerischen Instinkt hätte dies jedenfalls entsprochen: Schon damals lebte die Lagunenstadt ausschließlich von ihrem legendären geschichtlichen Erbe, stellte somit eine ideale Kulisse für die bodenlosen Unwahrscheinlichkeiten einer Operette dar. Anekdotisch ist überliefert, Zell und Genée hätten Strauß zu verstehen gegeben, Carl Millöcker interessiere sich für das Venedig-Libretto, um es auf diese Weise um so bestimmter an Strauß vergeben und Millöcker das gleichzeitig entstandene Textbuch Der Bettelstudent (1882) überlassen zu können. Ob so oder anders: Strauß hatte angebissen.

      Eine Nacht in Venedig – Die Handlung

      Venedig, Mitte des 18. Jahrhunderts. Regelmäßig kommt der Herzog von Urbino, ein berüchtigter Schürzenjäger, zum Karneval nach Venedig. Diesmal stellt er Barbara, der Gemahlin des Senators Delacqua, nach. Der ältliche Delacqua befindet sich in einer Zwickmühle: Einerseits möchte er den Herzog bei Laune halten, da dieser den lukrativen Posten eines Verwalters zu besetzen hat, andererseits will er seine Frau vor dem umtriebigen Adeligen schützen. Kurzerhand schließt er Barbara in ihr Zimmer ein, um sie später nach Murano in Sicherheit bringen zu lassen, und geht mit der maskierten Köchin Ciboletta (= Schnittlauch), die er als seine Gattin ausgibt, auf das herzogliche Fest. Er ahnt jedoch nicht, dass Barbara wiederum ihre Freundin Annina an ihrer Stelle in die Gondel setzen will, um selbst frei zu sein für ein Redezvous mit Enrico, dem Neffen des Senators. Inzwischen hat Caramello, der Leibbarbier des Herzogs, durch den Makkaronikoch Pappacoda, Cibolettas Geliebten, von Delacquas Absichten erfahren. Als Gondoliere verkleidet, entführt er die vermeintliche Senatorengemahlin in den Herzogspalast – nicht ahnend, dass es sich dabei um seine vermummte Geliebte Annina handelt.

      Am Abend, im Palazzo des Herzogs, ist alles bereit für das große Fest. Als Caramello Annina erkennt, ist er in einer verzwickten Lage: Er muss den Zorn des Herzogs fürchten, wenn sich herausstellt, dass er die falsche Frau entführt hat; zugleich muss er versuchen, seinen lüsternen Herrn von Annina fernzuhalten. Die Verwicklungen spitzen sich zu, nachdem Delacqua und weitere Senatoren im Palast auftauchen. Da Delacqua Ciboletta als seine Gattin vorstellt, sieht sich der Herzog nun plötzlich mit zwei (falschen) Barbaras konfrontiert. Anstatt, wie geplant, für ihren Scheingemahl Delacqua eine Verwalterstelle zu erschmeicheln, schlägt Ciboletta für den eigenen Liebsten Pappacoda das Amt des herzoglichen Leibkochs heraus. Bevor sich der Palastherr vollends mit den beiden „Barbaras“ zurückziehen kann, kommt maskiertes Volk, um den Herzog traditionsgemäß zum nächtlichen Karnevalstrubel auf den Markusplatz zu geleiten.

      Dort entwischen die beiden Frauen schließlich dem Verführer. Ciboletta besänftigt den eifersüchtigen Pappacoda, und der Herzog, mittlerweile aufgeklärt über die wahre Identität der Annina, verleiht Caramello das Amt des Verwalters, nicht ohne den Hintergedanken, dass Annina als Verwaltersfrau in greifbarer Flirt-Nähe bleibt. Einzig Delacqua geht ganz leer aus: Der erstrebte Posten ist vergeben, und nichtsahnend dankt er seinem Neffen Enrico, vom der er glaubt, er habe seine Frau uneigennützig in Sicherheit gebracht. In den emphatischen Finalwalzer, der am Ende ganz Venedig rotieren lässt, stimmt Delacqua trotzdem mit ein: als Primus inter pares der getäuschten Täuscher.

      Private Ereignisse führten dazu, dass Eine Nacht in Venedig als einzige Strauß-Operette nicht in Wien uraufgeführt wurde: Im Sommer 1882 begann Strauß’ zweite Frau Angelika ein Verhältnis mit Franz Steiner, der seinem Vater Max in der Direktion des Theaters an der Wien gefolgt war. Da sich der Komponist im Dezember scheiden ließ, kam eine Uraufführung an der bisherigen „Heimatbühne“ nicht mehr in Frage. Strauß verlegte die Premiere kurzerhand nach Berlin als Eröffnungsvorstellung des Neuen Friedrich-Wilhelmstädtischen Theaters. Der Uraufführungserfolg am 3. Oktober 1883 war nur mäßig. Nachdem sein Privatleben wenig später durch seine zukünftige dritte Frau Adele eine positive Wendung genommen hatte, ließ er sich dazu bewegen, das Werk bereits am 9. Oktober desselben Jahres auch dem Theater an der Wien zu überlassen. Von da an wurde Eine Nacht in Venedig in ganz Europa gespielt.

      * * *


      Die Donaumonarchie feiert sich selbst:
      Der Zigeunerbaron


      Johann Strauß freute sich über alle Maßen, als ihm nach der Uraufführung am 24. Oktober 1885 – es war der Vorabend seines 60. Geburtstags – Kaiser Franz Josef zur „neuen Oper“ gratulierte. Vielleicht hatte sich der Monarch nur versprochen, doch gerade durch diese Fehlleistung traf er den Kern des Werks. Die Wiener Operette hatte eine Wandlung durchgemacht, und Der Zigeunerbaron kündete davon als erstes, später stilbildend nachgeahmtes Zeugnis. Außerdem gilt Strauß mit der Wahl eines „ungarischen“ Sujets als Begründer eines Prototyps der Ungarnoperette, die später von Komponisten wie Franz Lehár oder Emmerich Kálmán zur vollen Blüte gebracht wurde.

      Der Librettist Ignaz Schnitzer brachte die „reimlosen Jamben“ des originalen Textentwurfs von Mór Jókai in Reimform und unterzog „unwesentliche Details auf Wunsch des Komponisten einer Umarbeitung“. Dass er die Handlung in die spanischen Erbfolgekriege Mitte des 18. Jahrhunderts verlegte, ändert nichts an der Tatsache, dass der Zigeunerbaron auf die Entstehungszeit gemünzt war und die neugefestigte österreichisch-ungarische Allianz hochleben ließ. Gerade die vielen Anspielungen auf Begebenheiten, Schicksale und menschliche Charaktere, die damals in Wien jedermann geläufig waren, festigten den enthusiastischen Erfolg des Werks. Der Zigeunerbaron – Die Handlung

      Die Geschehnisse könnten sich, von einigen romantischen Abschweifungen abgesehen, in der Tat um 1880 zugetragen haben, als die 1848 gegen Wien und den Kaiser aufbegehrenden, mit Hilfe russischer Truppen niedergeschlagenen und des Landes verwiesenen ungarischen Aristokraten in ihre Heimat zurückkehren durften.

      Sándor Bárinkay ist das getreue Abbild vieler ungarischer Magnaten, die nach der fehlgeschlagenen Revolution fliehen und sich recht und schlecht in der Fremde durchbringen mussten. Wie andere begnadigte Gutsbesitzer findet sich der zurückgekehrte Bárinkay um sein Erbe betrogen. Geschäftemacher wie der „Schweinefürst“ Zsupán haben sich breit gemacht und verteidigen mit List und plumper Gewalt den angemaßten Besitz. Bei den Heimatlosen, den unbehausten Landfahrern, den Zigeunern findet Bárinkay Aufnahme. Sie erheben ihn zu ihrem Anführer, was ihm die spöttische, abschätzige Bezeichnung „Zigeunerbaron“ einträgt. Das junge Zigeunermädchen Saffi, betreut von der alten Czipra, verliebt sich in den Fremden. Als offenkundig wird, dass Saffi die Tochter des letzten türkischen Paschas von Temesvar ist, fühlt sich Bárinkay ihr an Rang unterlegen und schließt sich aus Verzweiflung den Rekruten an.

      Nach der Rückkehr aus einem siegreichen Feldzug klären sich die Missverständnisse. Einer Verbindung von Saffi und Bárinkay steht nun nichts mehr im Weg. Neue Waffenbrüderschaft hat Österreicher und Ungarn wieder zueinander geführt.

      Musikalisch orientierte sich Strauß im Zigeunerbaron wenig an authentischer Zigeunermusik, schwelgte jedoch auch nicht in üppigen Exotismen. So ist dem „Zigeunerbaron“ Bárinkay kein ungarischer Csárdás, sondern ein schwungvoller Walzer („Ja, das alles auf Ehr’“) zugeordnet. In den melodischen Wendungen bewies Strauß eine Fähigkeit, die man bislang nur aus seiner Tanzmusik kannte: die Imitation „nationaler“ Klänge. Die Stilistik seiner ungarisch-balkanischen Musik ist im Umfeld jener Faszination zu sehen, mit der auch Franz Liszt die Aura des Ungarischen und Zigeunerhaften in Töne umzusetzen suchte.

      Die Uraufführung des Zigeunerbarons im Theater an der Wien unter seiner Leitung bescherte Strauß den größten Bühnenerfolg seines Lebens. Für den versöhnlichen Ausklang, das Schluss-Tableau wünschte er sich von Direktor Franz Jauner eine selbst für ein renommiertes Operettentheater ungewöhnlich prächtige Ausstattung „mit 80 bis 100 Soldaten zu Fuß und zu Pferd, mit Marketenderinnen in spanischer, ungarischer und wienerischer Tracht, Volk aller Art, Kinder und Blumen – die Bühne muss bis zum hintersten Tor geöffnet werden“. Nicht zuletzt solche handgreiflichen Realismen sicherten dem Zigeunerbaron eine bis heute anhaltende Popularität.

      * * *


      Bunte Votivbilder:
      Der Vogelhändler


      Das „Goldene Zeitalter“ der Wiener Operette war zu Beginn des letzten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts bereits am Verklingen. Johann Strauß, Franz von Suppé und Carl Millöcker hatten ihre triumphalen Meisterwerke bereits geschrieben. Mit dem am 10. Januar 1891 im Theater an der Wien uraufgeführten, handfest-volkstümlichen Vogelhändler legte Carl Zeller schließlich eines der unsterblichen Stücke der Gattung insgesamt nach, wenn es auch weit hinter die geistvollen Unverschämtheiten der „Offenbachiaden“ zurückfiel.

      Die Entwicklung war darauf hinausgelaufen, nicht Theaterstücke mit Musik zu liefern, sondern vor allem jedermann faszinierende Musik, die die Handlung nur brauchte, um sich an ihr aufzureihen. Eine Handlung, die es nicht auf literarischen Ehrgeiz anlegte, sondern sogar recht fragwürdig sein konnte – wenn sie nur Anlass zum Lachen oder Weinen gab, wenn sie nur vergnügte oder erschütterte. Die Musik hatte durch faszinierende melodische Einfälle – kess oder sentimental – augenblicklich zu zünden. In Windeseile sollten die „Ohrwürmer“ nachgesungen oder -gepfiffen werden: Beim Vogelhändler waren es keineswegs die auch vorhandenen munter-witzigen Nummern, sondern rührselige wie „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ und „Wie mein Ahnl zwanzig Jahr’“ oder treuherzig-schelmische wie „Ich bin die Christel von der Post“.

      Der Vogelhändler – Die Handlung

      In der Rheinpfalz, zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Da sich der Kurfürst zur Wildschweinjagd angesagt hat, herrscht im kurfürstlichen Jagdrevier große Aufregung. Leider fehlen im Dorf genau die beiden Dinge, die der Landesherr erwartet: Es gibt keine Wildschweine mehr, weil die Bauern sie alle abgeschossen haben, und auch an der passenden Ehrenjungfrau mangelt es, die ihm einen Blumenstrauß überreichen könnte. Der kurfürstliche Jagd- und Wildmeister ist bereit, gegen ein hohes Bestechungsgeld ein zahmes Hausschwein und eine dreimalige Witwe dem Kurfürsten vorzuführen. Da wird die Jagd abgesagt. Der Jägermeister, der sich das Geld nicht entgehen lassen möchte, lässt kurzerhand seinen Neffen den Kurfürsten mimen. Unerwartet trifft die Kurfürstin – als Bauernmädchen verkleidet – ein, um ihren Gatten „in flagranti“ zu ertappen. Gleichzeitig kommt der Tiroler Vogelhändler Adam, um seine Braut Christel zu besuchen. Diese möchte beim Kurfürsten die Stellung des Menagerieinspektors für Adam erbitten. Ein fröhliches Spiel der Verwechslungen, Eifersüchteleien und Liebe beginnt…

      Der 1842 in St. Peter in der Au (Niederösterreich) geborene Carl Zeller war gar kein Musiker von Beruf. Als Sohn eines Arztes hatte er schon früh das Spielen mehrerer Instrumente erlernt und wurde elfjährig Sängerknabe der kaiserlichen Hofkapelle in Wien. Später studierte er Jura und zugleich Komposition beim seinerzeit berühmten Musiktheoretiker Simon Sechter. Nach seiner Promotion zum Doktor der Rechte war er ab 1873 im Ministerium für Unterricht und Kultus tätig, wo er nach und nach eine beachtliche Karriere machte, schließlich in den Rang eines Hofrats aufstieg und auch die Leitung des Kunstreferats übernahm. Er komponierte zwar durchaus professionell, doch immer nur nebenbei, gemächlich und in größeren Abständen.

      Auf einen Text von Moritz West und Ludwig Held glückte ihm mit dem Vogelhändler, seinem vierten Bühnenwerk, der Inbegriff der deutsch-österreichischen Heimatoperette – voll von dem, was man gemeinhin als Gemüt und herzhaften Humor bezeichnet. Seinem Arbeitgeber war der komponierende Herr Sektionsrat allerdings suspekt. Jedenfalls beehrte ihn das Ministerium im Vorfeld der Uraufführung mit folgendem brieflichen Hinweis: „… es wäre wohl natürlich, dass mit Rücksicht auf seine Eigenschaft als Staatsbeamter der Herr Dr. Zeller nicht auf der Bühne erscheinen könne…“ Zeller ließ sich nicht abschrecken und feierte einen Sensationserfolg. Damals wie heute scheint das herbeimusizierte Milieu des Vogelhändlers, einem städtischen Publikum gleichsam bunte Votivbilder heraufzubeschwören. So reizvoll-verklärt kann eine ländliche Vorvergangenheit eben sein. Bittersüße Liebesgeschichte:
      Die lustige Witwe


      Franz Lehárs sechstes Bühnenwerk läutete das „Silberne Zeitalter“ der Operette ein. Am 30. Dezember 1905 im Theater an der Wien uraufgeführt, ging insbesondere eine Melodie der Lustigen Witwe um die Welt: „Lippen schweigen, ’s flüstern Geigen: Hab mich lieb!“ – der in unzähligen Bearbeitungen am häufigsten verbreitete „Wurf“ eines Komponisten im 20. Jahrhundert, nichts weniger als ein inniger Gleichklang sich im Valse-moderato-Takt nach einander verzehrender Herzen.

      Dieses Tanz-Duett äußert Liebe, indem es sich dazu äußert, wie und womit Liebe sich äußern lässt: mit einem Händedruck, der nicht minder deutlich spricht als die Berührung im gemeinsamen Walzerschritt, als die Vibration des Herzschlags. Solcher Körperdialog bliebe freilich stumm ohne die Eloquenz der Musik. Die Instrumente im Orchester wirken als Dolmetscher unsagbaren Gefühls, das sich nichtsdestoweniger besingen und ertanzen lässt. Sie entlocken, was wortlos in beiden Partnern rumort. Und das ganze ist einfach hinreißend: ein bittersüßer Schlagabtausch zwischen zwei intelligenten „Sparringspartnern“.

      Die lustige Witwe – Die Handlung

      Paris 1905. In der Gesandtschaft der kleinen fiktiven Balkanmonarchie Pontevedro geht’s drunter und drüber: Hanna Glawari, die von ihrem verstorbenen Mann ein beträchtliches Vermögen geerbt hat, ist in der französischen Hauptstadt eingetroffen – anscheinend um sich erneut zu verheiraten. Die neue Ehe der ganz und gar nicht trauernden Witwe mag ihre Privatangelegenheit sein, nicht aber ihr Vermögen, auf das der ständig am Rand des Bankrotts wankende Staat dringend angewiesen ist. Der Auftrag des Landesvaters lautet, dafür zu sorgen, dass die millionenschwere Witwe einen Pontevedriner heiratet, damit ihr Geld daheim bleibt. Dafür kommt nur einer in Frage: der lebenslustige Gesandtschaftssekretär Graf Danilo Danilowitsch. Der verweigert – aus guten Gründen – anfangs entschieden diese Tat…

      40 Jahre lang galt die holprig eingedeutschte Komödie Der Gesandtschafts-Attaché von Henri Meilhac, dem Librettisten Offenbachs und Mitautor des Carmen-Textbuchs, als dramaturgischer Ladenhüter. Erst Victor Léon und Leo Stein veredelten die Vorlage zum zugkräftigsten Libretto, das der 1870 in der Westslowakei geborene Franz Lehár je vertont hat. Zunächst war das Buch für Richard Heuberger bestimmt, der sich seit dem Opernball zum Spezialisten für wienerisch gebrochene Pariser Frivolitäten aufgeschwungen hatte. Seine Vertonung erwies sich jedoch als derart bieder, dass die Textautoren ihr Libretto lieber zurückzogen, weil sie den Misserfolg witterten.

      Man trat an den jüngeren und vitaleren Lehár heran, der damals von kurzlebigen Erfolgen zehrte, als Theaterkapellmeister aushalf und dafür bekannt war, als einstiger Dvorˇák-Schüler den geforderten slawischen Tonfall mit Sicherheit zu treffen. Haupteingriff ins Original war eine lokale Verlagerung: An die Stelle des allzu biederen deutschen Fürstentums trat ein Kleinstaat auf dem Balkan. Zudem wurde die Gesandtschaft, in der Danilo Dienst zu tun vorgibt, nach Paris verlegt, das weiterhin als Zielpunkt erotischer Phantasien und Hauptstadt des luxuriösen Lebens galt.

      „Dös is kaa Musik!“ war der entmutigende Kommentar der Theaterdirektoren, als Lehár ihnen seine neue Operette am Klavier vorspielte. Sie schworen bei ihrem „erprobt unfehlbaren Theaterinstinkt“, sich mit der Lustigen Witwe den Reinfall des Jahrzehnts eingehandelt zu haben, suchten die Uraufführung zu vereiteln und warfen dem unablässig verbessernden Komponisten vor, mit der Partitur nicht zu Rande zu kommen. Doch die Sänger – unter ihnen Mizzi Günther in der Titelpartie, die Mutter der später berühmten Koloratursopranistin Maria Ivogün, und der 1943 in Theresienstadt ermordete Louis Treumann als Danilo – hielten zu Lehár und setzten das Werk durch. Als der unerwartete Premierenbeifall losbrach, reihten sich – einem alten Theaterbrauch folgend – auch die Direktoren unter die Väter des Sieges und holten sich ihren Anteil am Applaus…

      * * *


      Unaufhaltsames Aneinander-Heransingen:
      Der Graf von Luxemburg


      War Lehár auf Drogen?“ Diese – ernstgemeinte – Frage heutiger Musikstudenten an ihren Dirigierprofessor, einen bekennenden Operetten-Fan, ist bezeichnend. Sind uns die feinen Valeurs des menschlichen Daseins, auf denen der musikalische Ideenreichtum Franz Lehárs beruht, ästhetisch so fremd geworden?!

      Dabei macht weniger der Zauber einer Bühnen-Traumwelt den Reiz des zunehmend opernhaft-tragischen Lehár-OEuvres aus als vielmehr die stets beigemischte Prise weiser Erkenntnis über Menschliches, Allzumenschliches. Scheinbares „Weltfluchtbedürfnis“ entpuppt sich häufig als genau beobachtete Verhaltensstudie. Drogen brauchte der Komponist hierzu jedenfalls nicht…

      In Der Graf von Luxemburg ist das Strukturelement der Vorbestimmung auf die Spitze getrieben: Zwei, die nicht wissen, dass sie miteinander verheiratet sind, lernen einander kennen und verlieben sich auf den ersten Blick. Wie kann das sein? Die Eheschließung, ein Vierteljahr zuvor, fand anonym in einem Maler-atelier statt und nur pro forma. Getrennt durch eine Staffelei gab sich das Brautpaar das Jawort und ging dann blicklos auseinander.

      Der Graf von Luxemburg – Die Handlung

      Wir befinden uns in Paris um das Jahr 1900. Hauptfiguren sind zum einen die Opernsängerin Angèle Didier, die einen Adelstitel benötigt, damit ihr Gönner, der alte russische Fürst Basil Basilowitsch, sie standesgemäß ehelichen kann, zum anderen der lebenslustige René Graf von Luxemburg, der unter ständiger Geldknappheit leidet. Mit 500.000 Francs kann ihn der Fürst locken, für drei Monate den legalen, aber unerkannten Gatten abzugeben, der sich seiner Frau keinesfalls nähern darf.

      Doch das Schicksal will es, dass René Angèle bei ihrer letzten Vorstellung sieht und sich sofort in sie verliebt. Ohne zu wissen, wer sie ist, umwirbt er sie und lässt ihr Herz höher schlagen. Sobald sie einander jedoch identifizieren, ist die beiderseitige Entrüstung über die ehrenrührige Geldheirat groß. Dennoch sind Liebe und Leidenschaft stärker als die Vernunft. Laut Vertrag mit Fürst Basil müssen sie sich aber trennen. Was nun?

      An dieser Stelle erscheint Gräfin Stasa Kokozow auf der Bildfläche. Sie steht Basil nicht nur altersmäßig nahe, sondern hat von ihm auch ein Eheversprechen, und der Zar wünscht, dass der Fürst es einhält. Mit keineswegs altersschwachem Hieb durchschlägt sie den schier unentwirrbaren dramatischen Knoten: Auf der Suche nach Angèle landet Basil in den Armen seiner unersehnten Verlobten.

      René erhält nicht nur sein Ehrenwort zurück, er erfährt auch, dass die Beschlagnahmung seiner Güter aufgehoben wurde. So kann er die 500.000 Francs zurückzahlen. Und noch ein drittes Paar tänzelt schließlich, nach allerlei Umwegen, auf die Ehe zu: mit seinem Modell Juliette der Maler Armand, der vorher bei der anonymen Verheiratung die trennende Leinwand zur Verfügung gestellt hatte und der bislang keinerlei Gelüst auf irgendwelche Hochzeiten verspürte – weder auf echte noch auf solche zum Schein.

      Bei der Uraufführung am 12. November 1909 im Theater an der Wien wurde Der Graf von Luxemburg mit stürmischem Beifall aufgenommen und begann nach über 300 Vorstellungen en suite seinen weltweiten Siegeszug. Das Libretto von Alfred Maria Willner, Robert Bodanzky und Leo Stein bot eine ideale Grundlage für Lehárs Komponierlust: Paris als klangliche Kulisse, Karneval, rauschende Feste, Bohèmemilieu und viel Liebessehnsucht. Das Werk steht, was Gedankenreichtum, originelle Prägnanz der Einfälle, dramatische Charakterisierungskunst und aparte Haltung des harmonischen und instrumentalen Kolorits anlangt, ebenbürtig neben der vier Jahre älteren Lustigen Witwe. Dass schon das Uraufführungspublikum den Grafen von Luxemburg als eine Art Fortsetzung von Léhars bislang berühmtester Operette empfunden hat, liegt nahe. Thematisch verbindet beide Stücke die Kollision von viel Geld und zweifelhaftem Ehebund, musikalisch die Kollision von Pariser Tonfall und slawischen Gegenklängen.

      Wie Lehár den musikalischen Faden der Lustigen Witwe nicht nur aufnimmt, sondern auch andersartig fortspinnt, prägt sich besonders markant in den Tanzrhythmen aus – namentlich im Walzer. Die Valse-moderato von „Lippen schweigen“ war dort die Ausnahme. Hier nun wird sie zur Regel im musikalischen Herzensverkehr zwischen Angèle und René, die durch Masken und Pseudonyme, durch Verstellungen und Berechnungen hindurch sich unaufhaltsam aneinander heransingen.

      * * *


      Selbstüberwindung aus einsichtiger Menschlichkeit:
      Das Land des Lächelns


      Eine Zeit lang schien es, als ob die Hochkonjunktur für die Operette – und somit auch für deren bedeutendsten Vertreter im vergangenen Jahrhundert – vorbei sei. Neue Klänge und Tanzformen hatten von Amerika kommend den europäischen Kontinent in den „Goldenen Zwanzigern“ erobert: Foxtrott, Onestep, Valse Boston, Tango u. a. Doch die größten Erfolge seiner Karriere sollte Franz Lehár, der seine Melodik und Instrumentierung stets anzupassen vermochte, noch vor sich haben. Das Land des Lächelns ist das Werk eines fast 60-Jährigen, dem die abschließende große Steigerung seines Stils gelingt.

      Nun bewegte ihn das fernöstliche Kolorit – eine Farbe, die seit Carl Maria von Webers Turandot-Musik durch europäische Partituren geisterte und sich am einprägsamsten in Madame Butterfly und Turandot des von Lehár hochverehrten Giacomo Puccini manifestierte. Der Italiener hatte die pentatonischen Wendungen, die in sich zurückpendelnden Melodien, hüpfenden Rhythmen, Quartakkorde und magischen Wirkungen des Schlagzeugs vollends populär gemacht. Lehár nützte diese Errungenschaften so nachhaltig, dass sogar die großen Gesangsnummern wie „Immer nur lächeln“, „Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt?“, „Dein ist mein ganzes Herz“ und „Von Apfelblüten einen Kranz“ davon durchzogen sind.

      In den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Wien einen charmanten, attraktiven Sekretär der kaiserlich chinesischen Botschaft. Er verkehrte in den Salons der Künstler, die Damen der Gesellschaft himmelten ihn an. Kurz vor dem Sturz der Mandschu-Dynastie wurde er in seine Heimat abberufen. Man hörte nie mehr etwas von Herrn Sou-Chong, der gleichwohl zum Urbild des fernöstlichen Prinzen wurde. Victor Léon, Lehárs Hausdichter seit der frühen Erfolgsoperette Der Rastelbinder, schmückte in der Phantasie das Schicksal des immer nur lächelnden Diplomaten märchenhaft aus…

      Das Land des Lächelns – Die Handlung

      In Wien und Peking, 1912. Lisa, Tochter des Grafen Lichtenfels, ist fasziniert vom Diplomaten Prinz Sou-Chong. Dessen verhaltene Leidenschaft und die exotische Aura seines Auftretens beeindruckt sie ungleich stärker als das Werben ihrer zahlreichen Wiener Kavaliere, unter denen sich besonders Graf Gustav von Pottenstein hervortut. Als Sou-Chong, zum chinesischen Ministerpräsidenten ernannt, kurzfristig in seine Heimat zurückkehren muss, entschließt sich Lisa entgegen den Warnungen ihres Vaters, dem geliebten Mann zu folgen.

      In China sieht sich das Paar bald auf den Boden der gesellschaftlichen Wirklichkeit zurückgeworfen. Die äußeren Widerstände gegen die Beziehung lassen den Liebenden die lange verdeckte Unvereinbarkeit ihrer Charaktere mehr und mehr bewusst werden. Als Sou-Chong schließlich gemäß der Tradition in eine Ehe mit vier Chinesinnen einwilligen muss, sind Lisas Illusionen endgültig zerstört.

      Gustl, Lisas Verehrer aus Wien, der sich als Militärattaché nach China versetzen ließ und mittlerweile selbst den exotischen Reizen von Sou-Chongs Schwester Mi erlegen ist, will ihr zur Flucht nach Hause verhelfen. Hilfe wird ihnen von Mi zuteil, die erkennen muss, dass ihrer Liebe zu Gustl ebenfalls keine Dauer beschieden sein kann. Die Flucht scheitert an der Wachsamkeit Sou-Chongs, der sich aber in das Unabänderliche fügt und das Paar ziehen lässt.

      Der erfolgreichen Premiere am 10. Oktober 1929 am Berliner Metropoltheater folgten bereits bis 1930 rund 200 Inszenierungen in ganz Europa. Zehn Jahre vor seinem Tod in Bad Ischl feierte Franz Lehár 1938 noch einen großen Triumph: Seine China-Operette hielt Einzug in der Wiener Staatsoper – abermals mit Richard Tauber in der Tenor-Rolle, der schon die Uraufführung gesungen hatte und seit Paganini (1925) und Der Zarewitsch (1927) der tonangebende „Vollstrecker“ von Lehárs Melodik war. Der Komponist hatte in Tauber eine einmalige Inspirationsquelle gefunden: Er schrieb dem Sänger seine Musik gleichsam auf die Stimmbänder, und die sogenannten „Tauber-Lieder“ wurden beim Publikum so populär, dass sie in Lehárs späteren Werken eine alles beherrschende Stellung einnahmen.

      Seit dem 19. Jahrhundert war die Liebe zwischen Menschen verschiedenartiger Kulturzonen auf der Musiktheaterbühne dem Untergang geweiht. Am tragischen Schluss von Das Land des Lächelns steht – statt des operettenüblichen Happy Ends – der Verzicht des asiatischen Prinzen: eine Selbstüberwindung aus einsichtiger Menschlichkeit. Gesanglich hätte das Entsagen allerdings kaum imposanter ausfallen können als mit der Reprise von Sou Chongs berühmtester Arie: „… lächelnd trotz Weh und tausend Schmerzen. / Doch wie’s da drin aussieht, /geht niemand was an.“



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      Den Adel verlachen und verklären:
      Die Csárdásfürstin


      Als sich der 1882 am ungarischen Plattensee geborene Emmerich Kálmán hinsetzte, um den Text von Leo Stein und Béla Jenbach in Musik zu setzen, hatte man der Welt gerade mal wieder ihr Ende vorausgesagt: Der Halleysche Komet sollte mit der Erde zusammenstoßen. Es wurde dann aber doch nichts draus, und Die Csárdásfürstin konnte ihre Uraufführung erleben. Mitten im Ersten Weltkrieg – am 13. November 1915 – ging sie im sieben Jahre zuvor eröffneten Johann-Strauß-Theater in Wien zum ersten Mal über die Bühne. Und während die Londoner gegen den deutschen – und deshalb feindlichen – Tannhäuser Richard Wagners zu Felde zogen, kam Die Csárdásfürstin 1917 sogar in New York zu einer umjubelten Premiere.

      Was dieses weltweit populärste Kálmán-Stück über andere Operetten hinaushebt und sie ebenbürtig an die Seite der besten Werke von Offenbach, Strauß und Lehár treten lässt, ist der geschichtliche Hintergrund, vor dem sie entstanden ist. Fotografisch genau spiegeln sich die Zeitumstände in der Handlung, dem Milieu und den Figuren wider. Bei der gezeigten Welt der Lebemänner und Varietésängerinnen, der adligen Kavaliere und flotten Leutnants, der süßen Mädels, der Ballettratten und Kokotten, in der die Nacht zum Tag gemacht wird, handelt es sich um keine Operettenscheinhaftigkeit, sondern um die Realität der Vorkriegsära.

      Die Csárdásfürstin – Die Handlung

      In Budapest und Wien, Juni 1914. Wie so oft wird das Aufeinandertreffen zweier verschiedener Gesellschaftsschichten beschrieben: Der Fürstenspross Edwin Ronald liebt die schöne Sängerin Sylva Varescu. Doch heiraten soll er die Komtesse Stasi. Da sich Sylva und Edwin schon insgeheim ihr Ja-Wort gegeben haben, Edwin aber noch Zeit braucht, um sich aus den gesellschaftlichen Konventionen zu befreien und sich öffentlich zu Sylva zu bekennen, sind die Komplikationen vorgezeichnet.

      Sylva, geleitet von dem lebensklugen Feri, macht ihre Weltkarriere. Und Stasi muss sich erst noch in den lebenslustigen Grafen Boni verlieben, ehe durch einen großen Heiratstausch jeder seinen Idealpartner in die Arme schließen kann. Dann erfährt Edwins Vater, Fürst von und zu Lippert-Weylersheim, noch eine „schreckliche“ Wahrheit: Seine eigene Gattin Anhilte war einst eine sehr beliebte Chansonnette, die erst durch ihre vorherige Ehe mit einem viel älteren Grafen in den Adelsstand versetzt wurde. Der Fürst resigniert und zieht das Fazit: „Mein Stammbaum zerfällt in lauter Brettln.“

      Die Heckenrosen füllten den Tag mit ihrem süßesten Duft, und die ungezählten großen und kleinen Skulpturen standen wie Wächter im Garten des Hauses Esplanade Nr. 6 in Bad Ischl. „Rosenvilla“ nannten die Einheimischen das Gebäude, aus dessen halbgeöffneten Fenstern eine übermütige Melodie klang: „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht…“ Den größten Teil der Csárdásfürstin komponierte Kálmán dort. Das Haus hatte er von Franz Lehár übernommen. Die Rosenvilla atmete Musik. Giacomo Meyerbeer hatte hier an seinem Propheten geschrieben. Später war Johannes Brahms eingezogen. Ihm folgten der polnische Pianist Theodor Leschetizky und der Geiger Joseph Joachim.

      Kálmáns Kunst als Operettenkomponist besteht darin, dass er den champagnertrunkenen Taumel nicht einfach nur effektvoll eingefangen hat. Über vielen seiner Melodien liegt eine zarte, verschleierte Melancholie, die stille Schwermut des Abschieds von einer Epoche und Lebensform. Wenn die Aristokratie in der Csárdásfürstin zugleich verlacht und verklärt wird, dann mit Stil.

      * * *


      Zeitloser Genuss:
      Gräfin Mariza


      Wien 1924. Da gab es kein habsburgisches Zeremoniell in der Hofburg mehr, keine rosenumsäumte Anmut in Schloss Schönbrunn; auch nicht mehr die gewachsene Großbürgerlichkeit in den alten Donauländern des k.-und-k.-Reichs, die dörfliche Volksidylle um Rebstock oder Ziehbrunnen; nicht einmal mehr die beschämend heimlichen Affären der uniformierten Herren von Stand mit den Modistinnen oder „Stubenkatzerln“. Dass gerade damals die Operette eine neue, in Anbetracht des weitverbreiteten Weltfluchtbedürfnisses vielleicht ihre größte Blütezeit erleben sollte, mutet rückschauend wie ein besonderes Kuriosum dieser widersprüchlichen Epoche an.

      Das Publikum hatte sich nun jedoch gewandelt, und die Operetten trugen dem in Text und Musik Rechnung: Man wollte einfach genießen. Die Musik sollte süffig sein, Frivolität oder auch nur Anzüglichkeit wurde beklatscht, schwüle Erotik und Sentimentalität bevorzugt. Schieber saßen im Parkett, Kriegsgewinnler und Betrüger. Sie gaben weitgehend den Ton an. Man prasste und zeigte, was man hatte – solange man es noch hatte. Dem Adel war sein Glanz abhanden gekommen. In der Republik Österreich war er sogar per Dekret abgeschafft worden. Geld zählte, Ware oder – noch besser – Beziehungen.

      In diese Melange tauchte der 1953 in Paris gestorbene Emmerich Kálmán mit dem Sujet von Gräfin Mariza voll ein und verwirklichte seine Absicht – nach der neun Jahre älteren Csárdásfürstin – wieder einen Sensationserfolg zu landen. Zwei neue, folgenreiche Kooperationen trugen zur Entstehung des Stücks bei: Kálmáns erstmaliger Kontakt mit den Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald sowie die Zusammenarbeit mit dem vielseitigen Operettenpraktiker Hubert Marischka, der in Personalunion von Sängerstar und Regisseur das Theater an der Wien leitete. Mit dem Autorenduo, aber auch für Marischka und seine Bühne hat der Komponist die meisten seiner weiteren Stücke, jeweils im Zweijahresrhythmus, geschrieben. Umständlicher als vorher verlief indes die Arbeit an Gräfin Mariza. Teile des Buchs hatte Kálmán schon mehrere Jahre vorliegen, gewann ihnen aber zunächst wenig ab, so dass er mit denselben Librettisten erst einmal die strikt ironische, gesellschaftskritisch gewitzte Bajadere (1921) herausbrachte.

      Gräfin Mariza – Die Handlung

      In Ungarn, auf Marizas Schloss, 1924. Während die reiche Gräfin Mariza in der Welt umherbummelt, kümmert sich ein tüchtiger Verwalter um ihre Güter. Dieser, der ehemalige Graf Tassilo Endrödy-Wittemburg, der sich jetzt Török nennt, war zuvor in schwere wirtschaftliche Bedrängnis geraten, so dass er seine Besitzungen verpfänden und die Offizierslaufbahn aufgeben musste. So hofft er, für seine Schwester Lisa, die nichts von der Verarmung der Familie erfahren soll, die nötige Mitgift zu verdienen. Überraschend kommt Mariza mit einem Schwarm von Gästen und Verehrern aufs Land und verkündet, dass sie heute ihre Verlobung mit dem Baron Koloman Zsupán feiern wolle. Allerdings hat die Gräfin diese Verlobung nur vorgeschützt, um ihre zahllosen Freier abzuschütteln. „Koloman Zsupán“ ist ein aus dem Zigeunerbaron von Johann Strauß entlehnter Name, und Gräfin Mariza hat ihn, wie sie glaubt, gut erfunden. Um so größer ist ihre Verblüffung, als sich tatsächlich ein Baron Koloman Zsupán auf dem Gut melden lässt… Am Ende können die beiden schwierig Liebenden, Mariza und Tassilo, ebenso ein Paar werden wie Zsupán, der Lisa umarmen darf.

      Dem verarmten Mariza-Grafen Tassilo, der sich plötzlich durch seiner Hände Arbeit durchs Leben schlagen muss, konnte man nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg tausendfach auf den Straßen begegnen. Für ein solches Sujet brauchte man nicht zu einer Allegorie greifen, es beinhaltete sozusagen hautnahen Realismus und bildete zugleich eine ideale Steilvorlage für die nostalgische Sehnsucht, die Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit zu beschwören: „Grüß mir mein Wien“ und „Komm, Zigány“ sind zwei der schönsten Tenorlieder, die Kálmán seinem Tassilo in die Kehle komponiert hat.

      Die mit Liebe, Eifersucht und Stolz gewürzte Handlung rief solche musikalischen Spannungspunkte hervor, dass sich an ihnen die Inspiration des Komponisten lichterloh entzündete. Bei aller zeitverhafteten Schilderung entstand dadurch ein quasi zeitloses Kunstwerk. Deshalb blieb Gräfin Mariza seit der Uraufführung am 28. Februar 1924 die Gunst des Publikums treu.

      Richard Eckstein

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